Oper führt einen oft an exotische Plätze – besonders französische Komponisten des 19. Jahrhunderts waren vom Orient fasziniert. Indien und Ceylon (Sri Lanka) sind nur zwei der weit verstreuten und entlegenen Ziele für das Lütticher Publikum in der kommenden Saison, genauso wie Japan, Peru, Eldorado und das antike Babylon. Die Opéra Royal de Wallonie-Liège präsentiert unter ihrem Direktor Stefano Mazzonis di Pralafera sechs Neuinszenierungen für die Spielzeit 2019/20, unter anderem eine der größten Herausforderungen für ein Opernhaus: Verdis Don Carlos.
Für ein Haus, das für gewöhnlich im italienischen Repertoire schwelgt, ist es durchaus überraschend, dass ein Schmachtfetzen wie Madama Butterfly 2001 das letzte Mal in Lüttich gezeigt wurde. Mazzonis Inszenierung ist eine Koproduktion mit dem Puccini-Festival in Torre del Lago und wird zweifelsohne den traditionellen Geschmack treffen – ein Stil, der dem Lütticher Publikum besonders zusagt. Gelobt für ihr “vollendetes schauspielerische Talent” 2017 in Zürich, teilt Svetlana Aksenova die Titelrolle mit der japanischen Sopranistin Yasko Sato. Die undankbare Rolle des Pinkertons – der amerikanische Marineoffizier, der seine jugendliche Braut heiratet und anschließend verlässt – übernehmen Alexey Dolgov und Dominick Chenes.
Léo Delibes’ Lakmé wurde 1883 in der der Opéra Comique in Paris uraufgeführt und erscheint seitdem immer wieder im Repertoire, das Interesse an der Oper verdankt sie aber zwei musikalischen Hits: Lakmés Glöckchenarie – die selbst die beste Koloraturtechnik herausfordert – und das Blumenduett für Lakmé und ihrer treuen Dienerin Mallika. Davide Garattini Raimondis Neuinszenierung zeigt die aufsteigende belgische Sopranistin Jodie Devos, die perfekt für die stimmlichen Anforderungen der indischen Prinzessin geeignet ist, während Philippe Talbot den britischen Offizier Gérald singt, der sich in sie verliebt. Ein weiterer Belgier, der Bariton Lionel Lhote, singt Nilakantha, Lakmés Vater, einen Brahmanenpriester, der Rache für die Beleidigung der Ehre seiner Tochter schwört.
In der Palkstraße, die Meeresenge, die Indien und Sri Lanka teilt, spielt Bizets Les pêcheurs de perles, eine weitere französische Oper, die immer wieder mal in Mode kommt. Wie auch Lakmé erzählt sie von den Sorgen und dem Kummer einer jungen Priesterin, die sich verliebt; hier stellen zwei Perlenfischer ihre Freundschaft über ihre beiderseitige Liebe zur Priesterin Leïla, bevor sich Jahre später ihre Wege erneut kreuzen. Leidenschaften werden neu entfacht, Freundschaften auf die Probe gestellt, und eine vergangene Heldentat wird aufgedeckt, mit tragischen Konsequenzen. Annick Massis singt Leïla in einer Wiederaufnahme von Yoshi Oïdas typisch sparsamen, aber wunderschönen Inszenierung, während Cyrille Dubois – ein glänzender Tenor – und Pierre Doyen Nadir und Zurga, die Männer, die sie lieben, singen.