Andris Nelsons ist bei den Berliner Philharmonikern mittlerweile so beliebt, dass im Orchester ihre besten Musiker und Musikerinnen sitzen, wenn er am Pult steht. Gemeinsam brachten sie einen großartigen Bruckner zu Gehör, wogegen im ersten Teil, in dem sie mit Mitsuko Uchida Schönbergs Klavierkonzert aufführten, doch manches nicht zum Klingen gebracht wurde, was zumindest von mir gerne gehört worden wäre.
Für die vier Teile seines einsätzigen Klavierkonzerts hatte Schönberg eine ganz einfache programmatische Skizze angefertigt, die zwar unveröffentlicht geblieben ist, der Form des Werkes aber dennoch ihr Leben eingehaucht hat: Das Leben war so leicht – Plötzlich brach Hass aus (Presto) – Eine ernste Situation entstand (Adagio) – Doch das Leben geht weiter (Rondo). Wer darum weiß, wird den Anfang im Soloklavier wie ein lyrisches Klavierstück, ja wie einen Walzer von Strauß vortragen, was Schönberg sogar in den Überbindungen im Klavierpart hervorgehoben hat. Doch unter Uchidas Fingern klang dieser Beginn leider so, wie Schönberg so oft klingt: Wie technisch gut gespielter, aber uninspirierter Brahms mit falschen Tönen. Lebendig wurde die Aufführung erst im zweiten Abschnitt, im dämonischen Scherzo, in dem es zu kurzatmigen Dialogen zwischen Klavier und Orchester kam, die völlig zu Recht wie ein moderner Liszt klangen. Da der Walzer zu Beginn überspielt worden war, konnte im Schlussteil, worin im konzertanten Sonatenrondo das Leben im Exil musikalisiert worden ist, die Pointe nicht herauskommen. In der apotheotischen Reprise trat das Hauptthema in vergrößerten Notenwerten zwar mächtig hervor, doch Schönberg hatte ihm alle Walzer-Anklänge genommen. An diesem Abend donnerte das Thema nur hervor, doch der mit dem Triumph einhergehende Verlust war nicht zu vernehmen. Das Konzert endet mit einem typischen Jazz-Schluss – allerdings in einer Lage, die ganz untypisch im Jazz ist. In meinen Ohren wirkte der Schluss in dieser Aufführung nicht augenzwinkernd ironisch, sondern etwas verlegen.
Dankbar war ich trotzdem, dieses Konzert wieder einmal gehört zu haben. Auch der große Joachim Kaiser wusste, dass Aufführungen, an denen man etwas auszusetzen hat, am Ende oft lehrreicher und erhellender sind, als diejenigen, in denen „alles gelingt“.