Die Ruhrtriennale hat für ihr diesjähriges Festival das Klangforum Wien mit zwei ungewöhnlichen Konzertprogrammen eingeladen. Mit In Vain und Kraanerg kombinierte es zwei extrem lange und unterschiedliche Kompositionen an einem Abend. Ein dazu passender Aufführungsort war das Salzlager der Kokerei auf dem Areal der zum UNESCO Weltkulturerbe zählenden Zeche Zollverein in Essen.
Im Vorwort der Partitur zu Georg Friedrich Haas in vain (2000) wird neben Texten van Samuel Beckett das folgende Gedicht von Ror Wolf zitiert: „es schneit, dann fällt / der regen nieder / dann schneit es, regnet es und schneit / dann regnet es die ganze Zeit / es regnet und dann schneit es wieder.” Es beschreibt bildhaft die bezaubernde Einfachheit dieser Komposition auf der Suche nach Tonhöhen und Zeitmaßen außerhalb der Norm.
Die ersten Klänge beschwören ein Waldesrauschen. Ganz kurz kam Schubertstimmung auf, bevor die Hörreise begann. Die Musiker des Klangforums spielten aufsteigende Tonleitern und Akkorde, höher und immer höher schienen die Töne emporzusteigen. Danach fielen die Klänge aus großer Höhe nach unten. Dieses Auf und Ab war eines der konstituierenden Elemente von in vain, in dem Haas sein gewissenhaft ausgewähltes Instrumentarium meisterhaft einsetzt. Der dadurch in dem ehemaligen Industrieraum entstehende Raumklang erzeugte die Illusion, das auch hinter dem Publikum Musiker spielten. Haas hatte auch die Lichtintensität im Saal und auf der Bühne vorgeschrieben, wodurch die Musiker stellenweise auch im Dunkeln spielten. Diees Lichregie unterstützte die meditative Athmosphäre einer Musik, die sich die Auslotung der Langsamheit zum Ziel gesetzt haben könnte.
Ganz wie bei den fantasievollen Zeichnungen von Maurits Cornelis Escher erzeugte Haas den Eindruck eines unendlichen Fortschreitens ohne Anfang und Ende. Unterschiede in der Klangintensität wurden zu Grossereignissen genauso wie ein mikrotonales Harfensolo, ein Gongschlag oder abwärts silbrig perlende Läufe auf dem Klavier. Die Märchenfee erzählte, ein Bänkelsänger schlug die Laute und mit beginnender Dunkelheit: Orpheus in der Unterwelt. Im letzten Teil wurde das Licht unregelmäßig zu kurzen Blitzen hochgefahren. Das scheinbar unendlich Kreisen um einen Grundton und seine mikrotonal ausgespielten Obertöne und das trügerische Fortschreiten machten die im Titel evozierte Vergeblichkeit menschlichen Handels beinah körperlich fühlbar. Dirigent Sylvain Cambreling, dessen Dirigierbewegungen als ein Schattenspiel auf dem Zementboden des Zuschauerraums mittanzten, ließ das ihm gewidmete Stück ganz abrupt enden. 70 Minuten waren vorbeigeflogen und hatten den Kopf frei gemacht für eine noch größere Hörherausforderung, das als Ballettmusik konzipierte Kraanerg des griechischen Komponisten Iannis Xenakis.