2019 startet das Cölner Barockorchester unter dem Titel Fair Play – Sauber spielen eine sechsjährige Konzertreihe zum hochaktuellen Thema der Nachhaltigkeit, in der es Barockmusik von anno dazumal mit dem Austausch über Errungenschaften, Sinn und Zukunft der Natur beziehungsweise des menschlichen Lebens an passenden, zum Teil ungewöhnlichen Orten zusammenbringt. Den Auftakt bildete das Element des Wassers, den die Interessierten in das Großklärwerk nach Köln-Stammheim führte. In dessen zum Kulturforum umgebauten Faulturmgebäude mit hervorragender Akustik erklangen Telemann, Rebel und Händel, zu deren Werkwiedergaben sich ein Kurzvortrag und eine Videosequenz gesellten.
Konträr zum Veranstaltungsraum, traditioneller als mit dem Jubiläumsfestschwank Hamburger Ebb' und Fluth, der elementar neuen Ballettsinfonie sowie eben der Wassermusik konnte es dabei nicht zugehen. Gewohntes im Ungewohnten! Doch so treffend die Stücke allein natürlich wegen ihres aufhängerischen – stilistisch französischen – Sujets sind, so philosophisch-lustig sind die hintergründlichen Gemeinsamkeiten und deren Wandel in die heutige Zeit hinein: Daseinsvorsorge- und Berechtigung in fließender Konkordanz oder Kollision. Welch' Gedanken und Perspektivwechsel Musik doch schafft!
Erstes Beispiel: Telemanns Ouvertürensuite diente 1723 zur Feier des Hamburgischen Bürgerschaftsengagements bei der Kontrolle des Seewesens. Dieser Jahre diskutiert man dort die Sicherung von Arbeitsplätzen und Wohlstand gegenüber der Elbvertiefung für Handelsschiff- und Kreuzfahrttempelriesen; auf den Straßen formiert sich Protest für die Bekämpfung des Klimawandels oder gegen die Deformierung der Umwelt. Erhöhten Wasserstand fühlte man jedenfalls bei der Einleitung des sich unter Konzertmeisterin Justyna Skatulnik formierten CBO, als es mit der nötig schwappenden Betonung und Ausgestaltung in leichter wie knackiger Manier seine amtliche Visitenkarte vorlegte. Besonders die Oboen und das Fagott Rebecca Mertens', die am Abend ein ums andere Mal spielerisch verzückten, trugen ihre Einsätze mit dem immanenten Selbstvertrauen vor, das ich hier gedanklich einfach mal aufoktroyierte. Plätscherte das Niedrigwasser in der Loure locker vor sich hin, entstand tidengerecht immer mehr Druck über die Gavotte und der derber pressierenden Harlequinade bis zum Tempete mit seiner streicherspaßig aufgetürmten Verwirbelung und den alarmistisch-antigebürsteten Oboen-Repetierungen. Die natürliche Beruhigung an der Water(-kant)front machte sich danach wieder breit mit den friedlich umherwirbelnden Piccoli, die nach der griffigen Gigue auch artikulatorisch die Bootsleute besänftigte: keine rumtopf-schunkelnde Veranstaltung wie sonst von den Streichern in der Canarie erwartet, sondern ein ausgelassenes, ernstes Zeichensetzen mit Fußstampf im Sinne und Freude der Sache.
Zweites Beispiel: Rebel sorgte für Unordnung, Ordnung und einen Knalleffekt, als er 1737 eine neue musikalische Welt mit seinen Les Élémen(t)s erschuf und gleichzeitig ein lautmalerisches Testament aufsetzte, das Telemann vielleicht sogar noch in Paris hörte. Muntere Diskussionen anderer Natur also als die Admiralstöne aus Hamburg, die mit dem Simultan-Dissonantakkord der d-Moll-Tonleiter beginnen. Beherzt, aber nicht übertrieben unruhestiftend, ging das Ensemble diesem Cahos nach, suchte im spannend-schrubbenden Schauspiel des Universums – immer wieder durch Pausen und Neuansätze bewusst gestört – nach den harmonischen Bahnen. Diese fanden die Instrumente in den drei Folgesätzen, als mit den Traversflöten erlösend und beschwingt Luft und Wasser entstanden, Fagott, Oboen und Continuo die Erde markant besetzten und die Streicher in dynamischer und lebhafter Art das Feuer entfachten. Genüsslich hörbar wurde die Gestaltung des Lebensraumes für zwitschernde Vögel im waldbepflanzten Auengebiet und für den Menschen im Hopsasa der Rossignolo, Loure II und Tambourin-Sause, der danach in traumhafter Phrasierung in süße Träume fiel, um daraus mit der festlich zusammenfassenden Caprice als musikalisches Dasein des Lebens aufzuwachen. Dies alles wurde dadurch umso eindrücklicher, dass es sich in die umrahmenden Worte von Wasserbauingenieur Hartmut Hoevel einkleidete, der mit seinem In-seinem-Element-sein für das Wasser und seinen Wert wiederum faszinierte. Über einen rhetorisch-dramatischen Beginn chemikalischer Information schlug er einen interessanten, facettenreichen Bogen über Biologie, Bauwesen, Hochwasser, Trinkwasser und Rechtsschutz bis zum pastoralen Ende über religiöse Bedeutung und Nachhaltigkeit.