In Verdis Il trovatore wird ein Schauermärchen der spanischen Romantik musikalisch veredelt. Es geht weniger um die Handlung, von der wichtige Teile in Rückblenden erzählt werden, sondern um ein Stimmungsgemälde. Erzählt wird von Liebe, Eifersucht, Außenseitertum und, am wichtigsten, von Rache und dem Fluch der bösen Tat.
Aufgabe einer Trovatore-Inszenierung ist daher, das Publikum in ein Wechselbad der Gefühle zu tauchen, oder zumindest den adäquaten Rahmen dafür zu bieten – da darf auf sanfte Wellen ruhig der kalte Guss folgen. Leider ist die zweieinhalb Jahre junge Inszenierung von Daniele Abbado an der Wiener Staatsoper aber so trocken wie der Staub, der sich beim Wegräumen des Teppichs aus dem zweiten Bild gut sichtbar in die Bühnenluft verteilt. Zwar ist das Einheitsbühnenbild mit seinem Gewölbe nicht hässlich, aber Sesselrücken und Gewehrgefuchtel (wir sind im spanischen Bürgerkrieg) sorgen eher für Befremden denn für Spannung. Am interessantesten wirken noch jene Stellen, in denen sich der Regisseur die Ästhetik religiöser Symbole zunutze macht, allerdings machen sie nicht immer Sinn: Wenn zum Zigeunerchors eine Madonnenstatue herumgetragen wird, und die „zingarella“ in den deutschen Untertiteln zu einem „jungen Mädchen“ umgedichtet wird, ergibt das in Summe noch keine politische Korrektheit, und dem Werk ist schon gar nicht gedient.
Es gibt Abende, an denen derlei gar nicht auffällt, weil die Sinne anderweitig beschäftigt sind, aber das war eben keine dieser Aufführungen. Leider wurde man Zeuge, wie Alberto Veronesi, der schon einige Chefdirigenten- und Musikdirektorenposten innehatte (und mit erwartungsvollem Auftrittsapplaus bedacht wurde) sein Staatsoperndebüt vergab. Es gab beträchtliche Koordinationsschwierigkeiten zwischen Bühne und Graben, wovon insbesondere der Chor betroffen war – zusammen mit den auch nicht immer punktgenauen Auf- und Abtritten hatte man streckenweise den Eindruck, einen schlecht geschnittenen und synchronisierten Film zu sehen. Aber natürlich trägt die Person am Pult nicht die alleinige Verantwortung. Wie viel (oder eher: wenig) Probenzeit zur Verfügung steht, spielt ebenso eine Rolle wie die Selbstmotivation der Musiker.
Doch selbst unter ungünstigen Voraussetzungen muss man die großen Leonoren-Arien (und einiges andere mehr) nicht so schleppend dirigieren wie Veronesi. Speziell „Tacea la notte placida“ legte unvorteilhaft offen, dass Michelle Bradley noch nicht hinreichend warmgesungen war. Diese andernorts recht erfolgreiche Sängerin gab ebenfalls ihr Staatsoperndebüt, und man hätte ihr dafür bessere Rahmenbedingungen gewünscht. Sympathisch war ihr darstellerischer Einsatz, und eine Kämpfernatur war an diesem Abend auch gefragt. Ihre starken Nerven wurden belohnt, denn bis zum Finale steigerte sie sich merklich.