Ein Repertoire-Reißer ist Leoš Janáčeks Oper Jenůfa nicht unbedingt: Auf gerade einmal 33 Vorstellungen in 14 Jahren bringt es David Pountneys Inszenierung dieses Werks an der Wiener Staatsoper. Aber immerhin kommt das Publikum dadurch, dass es offenbar nur dann auf den Spielplan gesetzt wird, wenn eine wirklich passende Besetzung zur Verfügung steht, in den Genuss spannender Abende. So kann etwa die diesjährige Serie mit gleich drei Premieren aufwarten: Angela Denoke, die Jenůfa der Premiere 2002, ist erstmals in Wien als Küsterin zu hören; Ingo Metzmacher hat zuvor in Wien noch keinen Janáček dirigiert, und zum ersten Mal wird das Werk im Haus am Ring in der tschechischen Originalfassung gesungen. Dass das Orchester der Wiener Staatsoper sich beim slawischen Repertoire besonders wohlzufühlen scheint, ist hingegen nicht neu, aber trotzdem immer wieder beeindruckend.
Unter Ingo Metzmacher lief das gesamte Orchester von Beginn an zur Höchstform auf. Eine spezielle Energie ging vom Orchestergraben aus, in dem die Musiker noch motivierter, konzentrierter und farbenreicher zu agieren schienen als sie es ohnehin immer tun. Expressiv und energiegeladen erklang Janáčeks Musik, ohne dabei an Differenziertheit vermissen zu lassen, denn Metzmacher legte präzise die vielen Schichten der Partitur frei und bettete die Sänger auf einen fein gewebten Klangteppich. Mit forschen Tempi preschte er in dramatischen Passagen voran und nahm in nachdenklicheren Momenten das Orchester jedoch auch weit zurück. Fast schon harschen, naturalistischen Klängen stellte Metzmacher unheimlich liebliche Elemente gegenüber; besonders das innig phrasierte Geigensolo, das Jenůfas Gebet des zweiten Akts begleitet, wurde dadurch zum sanften Höhepunkt des Abends.
Nicht ganz so begeistert hat mich hingegen Dorothea Röschmann in der Titelrolle. Über ihre golden timbrierte Stimme hat sich in allen Lagen ein starkes Vibrato gelegt, von dem mich ihre nuancierte vokale Gestaltung nicht ganz ablenken konnte. Dass einige Höhen etwas scharf gerieten passte hingegen wunderbar zu ihrer sehr dramatischen Interpretation der Rolle, die aber etwas an Süße vermissen ließ. Besonders die lyrischen Passagen gestaltete Röschmann fein phrasiert und gefühlvoll, blieb dabei aber oft kühl, sodass sich bei mir nie ein Gänsehautgefühl einstellte. Dazu beigetragen hat auch ihr sehr zurückhaltendes Spiel, durch welches die Figur nicht wirklich zum Leben erwachen konnte, sondern auch in Momenten purer Verzweiflung distanziert blieb.