Am Anfang erobern sich sieben Personen aus dem dunklen Hintergrund die Bühne des Schwetzinger Rokokotheaters. Noten haben sie dabei, die Kostüme finden sie vor. Dann setzt die Ouvertüre ein. Nach und nach nehmen sie ihre Rollen an.
Die Oper, die sie nun spielen und singen werden, wird Johann Sigismund Kusser zugeschrieben und heißt Adonis. Viel mehr lässt sich über die Entstehung des Werks gesichert nicht sagen. Es gibt Notizen des Komponisten, der am Hof des württembergischen Herzogs in Stuttgart um 1600 als Oberkapellmeister wirkte. Diese legen seine Autorenschaft mindestens teilweise nahe. Offensichtlich handelt es sich um die deutsche Bearbeitung einer italienischen Vorlage, die Kusser bereits vorher in Braunschweig kennengelernt hatte, wo er ebenfalls als Kapellmeister wirkte. Eine zusammenhängende Partitur gibt es nicht. Der Musikwissenschaftlerin Samantha Owens gelang es aber, die vorgefundenen Einzelstimmen zu einem stringenten Ganzen zusammenzufügen.
Zu entdecken gibt es eine zauberhafte frühbarocke Oper. Der Komponist, fast eine Generation älter als Bach und Händel, war erstaunlich polyglott für seine Zeit. Geboren in Preßburg, reiste er quer durch Europa. Nach mehreren Stationen an Fürstenhöfen im deutschsprachigen Raum beendete er seine Karriere in Dublin. Als Dirigent soll er brillant gewesen sein, seine Kompositionen haben sich aber nur in Bruchstücken erhalten.
Lässt sich auch Kussers Anteil an Adonis nicht genau bestimmen, so spricht die Machart der Musik für sich. Denn Kusser war vom Stil Jean Baptiste Lullys beeinflusst, bei dem er in Paris schon im jugendlichen Alter studiert haben soll. Die charmanten Tänze und Entr'eacts atmen den Geist des französischen Barock, die Arien und ihre farbige Begleitung dagegen den der italienischer Oper. Der Text in recht plastischem Alt-Deutsch klingt für unsere Ohren befremdlich, mitunter auch komisch („Welch Traur-Gewülk verhüllt dein Angesicht?”), verstärkt aber den verfremdenden Charakter, den der Regisseur Guillermo Amaya bei diesem Spiel mit den Figuren aus der antiken Mythologie angestrebt hat.
Denn es geht um antike Götter, ihre Liebeshändel mit sterblichen Wesen und die Freuden und (hier meistens) Leiden, die sie sich gegenseitig antun. Eigentlich spielt Cupido (oder Amor) die Hauptrolle, welcher die drei Paare mit seinen Liebespfeilen in gehörige Verwirrung stürzt. Denn sie passen eigentlich gar nicht zusammen, nur einer (oder eine) von ihnen verspürt starke Liebessehnsucht, der andere Part bleibt dagegen unempfindlich. Heftig stalkt Apoll die Nymphe Daphne, die von Männern gar nichts hält. Auf der Flucht vor ihm wird sie sich schließlich in einen Baum verwandeln. Vulcanus brennt für die Amazone Pallas, die ihm nur die kalte Schulter zeigt. Und Venus verzehrt sich nach Adonis, der einzig an der Jagd Vergnügen findet. Bei all dem ist Cupido kein netter Geselle. Zynisch findet er, dass Liebe vor allem Pein bereiten soll. Ausgangspunkt all seiner Bosheiten war am Anfang, dass ihn seine Mutter Venus gescholten und (mit einem Rosenstrauß) verprügelt hat, weil er seine Pfeile allzu wild umherzuschießen pflegt.