Gerne entführt Dorothee Oberlinger die Zuhörer in die fantastische Welt des Barock beziehungsweise in die Fabelreiche noch früherer Zeiten, auf die sie Bezug nimmt. Ihr Instrument, die Blockflöte, symbolisiert darin neben der kompletten Ausdrucksform der Natürlichkeit und freudigen wie melancholischen Seele meist das Idyllische, Liebliche und Pastorale, so dass sich der Blick der Musikerin auch in der Funktion als Operndirigentin mit ihrem Ensemble 1700 auf Werke richtet, die mit derartigem Stoff gefüllt sind. Nach dem Instrumental-Sologesangs-Programm um das mystisch-verklärte Arkadien, Bononcinis Polifemo oder Scarlattis Il giardino d'amore fand die Intendantin der Musikfestspiele Potsdam zum Motto „Flower Power“ in Telemanns Pastorelle en musique oder Musikalisches Hirtenspiel eine passende Quelle, die – nach der Entdeckung Christoph Wollfs, Kirill Karabits, Einrichtungen von Peter Huth und schließlich ersten Aufführungen – im frisch renovierten Schlosstheater Friedrichs des Großen erneut zu sprudeln begann.
In dieser Kurzoper, eine Hochzeits-Serenata, die von Telemann selbst als eine seiner zwanzig Frankfurter Feiermusiken als „Dramata zu besonderen Anlässen“ bezeichnet wurde – der kleinen Schwester zur danach groß aufgezogenen Saga um den Neumodischen Liebhaber und die komischen Satyrn – geht es natürlich um das mit seinem deutsch-französischen Text und der Figur des Knirfix durchaus leicht gallisch-parodiehafte Zueinanderfinden des einsam verliebten Schäfers Damon und der sich durch ihr Freiheitsbewusstsein extrem zierenden Nymphe Caliste. Außerdem gesellt sich mit Amyntas und Iris ein weiteres Pärchen in das Liebesdrama, das der Form und seiner Bestimmung getreu selbstverständlich in doppelt trautem Glück endet.
Den Festcharakter und die Selbstkategorisierung des Komponisten belegt schon die Ouvertüre, die zum repräsentativen Stil und der bilateralen Librettierung passend, aber – damit nun einmal ganz Telemann – zur Beschlagenheit als größter Stilwandler seiner Zeit gehörend, ein ausgedehntes Opernserenaden-Concerto mit einigen, auch später wiederzufindenen italienischen Einschlägen ist. So beginnt es mit einem Spirituoso für ein vollständig besetztes Orchester aus Streichern, Cembalo, Basslaute, Oboen, Fagott, Hörnern, Trompeten und Pauken, das trotz der Akzente des Ensemble 1700 und eines kleinen Paukenintros wegen seiner Zaghaftig- und leichten temporalen wie phrasierenden Behäbigkeit geradezu Inspiration vermissen ließ. Sie hielt allerdings schnell – und dann fortdauernd – Einzug im dann knackigeren Allegro mit besonders heraushörbarer Emphase der Trompeten, Evgeny Sviridovs Violine und von Makiko Kurabayashis Fagott. Axel Wolfs Laute durfte das sinnliche Adagio mit einem Vorspiel beglücken, während die Streicher im Presto und das Tutti im finalen Allegro ihre präzise und kontrastvolle Agilität unter Beweis stellten. Mit dieser vermochten sie, die mit ripienoritornellen Sprenklern der Solovioline und der Oboen versehene handlungsgemäße Intrada zum Trauungs-Tamtam genauso zu schmettern, wie Calistes jubelnd-kämpferischen Freiheitsfingerzeig oder Iris' schwankendes Grübeln.