Eine Nacht in Venedig, eine Nacht in der Lagune, also im Seichten – nach Tiefgang braucht man in dieser komischen Operette nicht zu suchen. Übersetzt heißen zwei der handelnden Personen Erbse und Bonbon, und das gibt auch in ungefähr die Komplexität ihrer Charaktere wieder, und nicht nur dieser. Wir reden von einer Verwechslungskomödie, die als Genre nie aus der Mode gekommen ist, und von denen es etliche zu Opernehren gebracht haben (Così fan tutte, Don Pasquale, Arabella...), von Hollywood-Filmen und Filmchen ganz zu schweigen. Daran ist auch nichts auszusetzen, denn jeden Tag Drama ist auch fad. Willkommen also im Venedig des Johann Strauß und seiner Librettisten Friedrich Zell und Richard Genée: Wir schreiben das 18. Jahrhundert und es ist – wenig überraschend – Karneval.
Genaugenommen ist es der letzte Tag des Karnevals und der Herzog von Urbino, ein legendärer Frauenheld, ist in der Stadt. Er hat es auf Barbara, Frau des ältlichen Senators Delacqua abgesehen, und daher wird sie von ihrem Mann unter einem Vorwand nach Murano geschickt. Da sie aber den Abend viel lieber mit dem blutjungen Piselli genießen will, springt die Fischverkäuferin Annina für sie ein, kehrt aber rechtzeitig nach Venedig zurück, um als falsche Barbara in Turbulenzen zu geraten, schließlich ist sie mit des Grafen Leibbarbier Caramello verlobt. Doch für einen Schwank, der etwas auf sich hält, sind zwei Paare und zwei Störenfriede natürlich zu wenig, und so gibt es ein drittes Paar, nämlich das Dummchen Ciboletta, Köchin bei Delacqua, und Pappacoda, seines Zeichens Makkaronikoch. Delacqua hat auch noch zwei greise Senatorenkollegen, deren Frauen, allen voran Agricola, dem tollen Hecht aus Urbino schöne Augen machen, aber schlussendlich ebensowenig mit ihm im Bett landen wie alle anderen genannten Damen.
Dazu gibt es leicht italianisierte Tanzmusik, wobei anzumerken ist, dass sich für diese nicht nur der Meister allein verantwortlich zeichnete. Auch Richard Genée hatte seine Finger im Spiel und darf unter anderem für die Ohrwürmer des Werks, „Komm in die Gondel“, „Alle maskiert“, den Lagunenwalzer oder die Polka „So ängstlich sind wir nicht“ ein bisschen Ehre für sich beanspruchen. Wer beim Tanzen ein wenig Herausforderung sucht, kann sich bei der Ouvertüre, dem einzigen Strauß-Alleingang dieser Operette, austoben: Ihre Rezensentin hatte im zarten Alter von siebzehn Jahren das (zweifelhafte) Vergnügen, mit einer dafür eigens ausgeklügelten Choreographie (Marsch, Rechts-, Links- und Fleckerlwalzer, Polka und Hebefigur) einen Ball zu eröffnen...
Wie kann man so ein Werk inszenieren? Am besten, indem man tut, was Hinrich Horstkotte für die Volksoper auf die Bühne gestellt hat. Er hat erkannt, dass es selten aber doch wenig Sinn hat, nach psychologischem Tiefgang oder Charakterentwicklung zu suchen und hat sich für eine – allerdings liebevolle – Karikatur entschieden, die noch dazu hübsch anzusehen ist: Bei seinen Kostümen hat er sich ein wenig von der Commedia dell’arte inspirieren lassen (entzückend: Annina in einem lachsrosa Kleid mit textilen Jakobsmuscheln am Rock, schwarzem Fischernetz über dem Dekolleté und einer Krabbe im Haar) und bei den Kulissen von Venedigs Umweltproblemen: Der Herzog von Urbino residiert in einem Unterwasserpalast, die Gebäude in der Kulisse sind zum Schluss teils versunken, teils sitzen sie auf ihren Pfählen auf dem Trockenen.