Wo Karina Canellakis auch hinkommt und debütiert, es hagelt sofortige Wiedereinladungen. So ebenfalls beim Gürzenich-Orchester Köln, mit dem die amerikanische Dirigentin letzte Saison einen tollen Einstand feierte, indem sie Klangkörper und Zuhörerschaft gleichermaßen mit ihrer frischen, lebendigen, musikalisch überzeugenden und in puncto Anleihen bei der historischen Aufführungspraxis ernsthaften Art ansteckte. Bei ihrer Rückkehr standen jetzt in Kontinuität eines klassisch aufgebauten Konzertprogramms Wagner, Schostakowitsch und Beethoven auf dem Interpretationstableau, die ausgerechnet zudem in Hilversum auftauchen werden, wo sie gleich ab kommendem September weithin vernehmbar zur Chefin beim niederländischen Radio Filharmonisch Orkest erwählt worden ist, und mit denen sie für einen vielfach begeisterungsvollen Abend sorgen konnte.
Einen, der thematisch geprägt war vom Trauermarsch, kompositorisch-politisch unterschiedlicher, prä-posthistorischer Helden-Auseinandersetzung und musikalischem Siegeszug. Wagner-Einstiege stehen dabei beim Gürzenich seit einiger Zeit in den Symphoniekonzerten an; sie werden auch aus den sogenannten informierten Ansätzen und -klängen unterschiedlichst beleuchtet. An diesem Abend herrschte eine Stilsicherheit mit einem ausgewogen dosierten Mittelweg von ersten vibratolosen Grabschauflern der tiefen Streicher unter den noch leisen Schicksalsschlägen der Pauken bis zu energischerem, aber nie zu überzogen-penetrantem Permanentvibrato ausufernden Wacklern mit den bombastisch klärenden Fortissimi zum verklärenden Heldenmarsch nach Siegfrieds Tod. Mit eigenen heroischen kleinen Sprüngen auf dem Podest entfachte Canellakis betäubende Wucht und packende Brillanz, die sich umso kontrastvoller abhob, weil sie das Siegfried-Motiv der Hörner und Wagnertuben besonnen und ruhend erscheinen ließ. Im großen jedoch nie langatmig-mystischen Bogen behielt sie sowohl Gespür für Fluss und gleichzeitige Schroffheit als auch dynamische Varianz. Bleibenden, verfestigenden Eindruck hinterließ die stechende Schwert-Trompete vor den endlichen Totengräber-Fagotten.
Dass ein auffällig gemeinsamer Hintergrund der Verständigung und Ausführung mehr als hilfreich ist, bewies sich beim Cellokonzert Nr. 1 Schostakowitschs. Schließlich weist Solist Nicolas Altstaedt dengleichen Dirigent-Solist-Geschwister-Hintergrund auf wie Canellakis mit ihrem Cello-Bruder Nick. Außerdem bewegt sich Altstaedt ebenso durch die verschiedenen Aufführungspraktiken, mit Vorliebe für das Barocke, von dem das Publikum bei der Zugabe einen Geschmack bekam, als er mit eingezogenem Cellostachel und mit Barockbogen ausgestattet einen Auszug aus seiner kürzlich erfolgten kleinen Tour mit Bachs Cellosuiten gab. Zuvor hatte Altstaedt Schostakowitschs Werk wie selten so umwerfend zu Gehör gebracht, begonnen im ersten, rhythmischen, von hemiolischen Wechseln durchzogenen Allegretto mit artikulatorisch-tonlicher, dynamischer und expressiver Differenzierung von harmlos zu hart und aufbrausend, stets in angenehmem Vibratoeinsatz voller Klarheit und Intonationsperfektion. Gar barock-klassisch phrasierte Bogentechniken blitzten durch, auch dank immer prächtiger Balance, die mit dem auf Beethovengröße reduziertem Streicherapparat und dem Holz, natürlich im bedrohlichen, doch giocosohaft verpackten Dialog mit dem Solohorn bestens funktionierte.