Die Rolle des Werther scheint auf den ersten Blick recht eintönig. Gut zwei Stunden und über vier Akte leidet der Protagonist vor sich hin und entschließt sich schlussendlich zum Selbstmord, da ihm seine große Liebe Charlotte verwehrt bleibt. Matthew Polenzani allerdings zeigte in der Werther-Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper einen vielschichtigen und abgründigen Werther, der den Zuschauer bis an den äußersten Rand der Verzweiflung führt.
Jürgen Roses Inszenierung verstärkt diesen Eindruck dabei noch mehr, wobei er einige Abweichungen von der Vorlage vornimmt, die nicht wirklich schlüssig sind. Dass Rose die Szenerie in eine großbürgerliche Umgebung vorverlegt, ist einzusehen; dennoch fragt man sich, warum das Wetzlar des späten achtzehnten Jahrhunderts wie ein stereotypisches, verschlafenes Dorf in der französischen Provence aussieht. Trotz allem hat Roses Inszenierung eine bedeutende Stärke : Sie schafft Stimmung. Mit Kritzeleien an den Wänden, die in Anlehnung an Goethes Vorlage auf die Briefe zwischen Werther und Charlotte anspielen und mit einer fehlenden Rückwand in den letzten beiden Akten, die eine schwarze Leere hinterlässt, wird die Inszenierung von Akt zu Akt zunehmend beklemmender.
Unter der Leitung von Asher Fisch interpretierte das Bayerische Staatsorchester Massenets Musik mit großer Variabilität. Die Musiker scheuten dramatische Ausbrüche keineswegs, wobei ihnen auch die karg besetzten Passagen überzeugend gelangen. Fisch nahm die Stimmungen der Bühne geschickt auf, sodass das Staatsborchester den ersten Akt mit pastoraler Leichtigkeit versah, wobei die exzellenten Hörner erwähnt werden müssen. Die letzten beiden Akte stattete Fisch dann mit sattem Klang aus. Dabei war er auf eine gute Balance zwischen dem Orchester und den Sängern bedacht und dirigierte sehr sängerfreundlich.
Das Ensemble hätte aber auch einem weniger ausbalancierten Orchesterklang etwas entgegenzusetzen gehabt, denn neben Angela Brower als Charlotte und Matthew Polenzanials Werther waren auch Sophie mit Hanna-Elisabeth Müller und Albert mit Michael Nagyexzellent besetzt. Als kleine Schwester der Charlotte ist die Sophie als immer fröhliches und leichtherziges Mädchen eine dankbare Rolle, die Müller mit ihrem jugendlichen Timbre passend interpretierte. Dabei beeindruckte sie aber auch mit ihrem kraftvollen Ausdruck in Verbindung mit klarer Stimme.