Er stemmte im Juni 2003 im Wiener Konzerthaus einen beispiellosen Kraftakt: Rudolf Buchbinder spielte alle fünf Beethoven-Konzerte in der Früh und am Nachmittag eines einzigen Tages! Acht Jahre später gönnte er sich für dieses Projekt im Musikverein, bei dem er die Wiener Philharmoniker auch dirigierte, zumindest eine Nacht zwischen den beiden Blöcken. Er ist eine Institution in Sachen Beethovenscher Klaviermusik; im Münchner Gasteig wurde er nun im symphonischen Konzert der Münchner Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev begeistert begrüßt.
In Beethovens Drittem Klavierkonzert c-Moll ließen Gergiev und seine Musiker, in großer symphonischer Besetzung aufgestellt, mit einer sehr zügigen, fein modellierten Einleitung aufhorchen: das Con brio wurde sehr wörtlich nicht als Tempovorgabe verstanden, sondern im Sinn einer inneren Energieaufladung. Gergiev und Buchbinder steigerten dadurch die musikalische Ausdruckskraft im bewusst ausgespielten Gegensatz von Orchester und Soloinstrument, wie er schon durch Beethovens musikalische Themenverarbeitung aufleuchtet. Buchbinders Spiel drückte Natürlichkeit aus, war herzerfrischend spontan, suchte immer wieder den Blickkontakt zu den Orchestermusikern; sein Beethoven klang ebenso jugendlich wie reif. In der großen Kadenz stand die Titanenpranke am Anfang, fand Buchbinder berührende Augenblicke des Traumverlorenen neben frischen Rokokotrillern, wurde er am Ende von seidigen Streichern in lächelndem Dialog weich aufgefangen.
Auch im Largo stand nicht weihevolles Schreiten im Vordergrund, sondern duftig pointiertes Spiel voll von poetischem Schimmer, dem immer wieder eine kammermusikalisch betörende Feinabstimmung mit den Instrumentalisten gelang: herrlich die Dialoge mit der Soloflöte (Herman van Kogelenberg) oder der Klarinettistin (Alexandra Gruber). Beethovens bärbeißigen Witz versprühten die Partner im abschließenden Rondo, das, nach C-Dur gewendet, zwischen Solist und Orchester wie im Ballsport hin- und hergespielt wurde und durch entlegene Tonarten getrieben und rhythmische Vermummungen variiert rastlos in den brillanten Schluss mündete. Da war kein weiter Weg zum ebenso rasanten Allegretto aus Beethovens Sturm-Sonate in der launigen Zugabe.
Mit Anton Bruckners Siebter Symphonie E-Dur gastierten Gergiev und die Münchner Philharmoniker im Oktober bereits in New Yorks Carnegie Hall. Und musizierten sie in der Stiftsbasilika St. Florian, in deren Untergeschoss Bruckners Sarkophag steht: eine Nähe, die jeden Musikenthusiasten im Innern besonders anrührt. So war es nicht verwunderlich, dass bei der Aufführung im Gasteig weihevolle Momente nicht weihrauchschwer daherkamen, sondern aus begeisternder Geschlossenheit und gelöster Selbstsicherheit in langer Bruckner-Tradition.