Unter dem Motto „Sternstunden der Quartettkultur“ fand ein Quartettabend mit dem Julia Fischer Quartett im Münchner Prinzregententheater statt. Was die Konzertbesucher an diesem Winterabend geboten bekamen, war fürwahr eine Sternstunde allerfeinster Kammermusik. Jeder der vier Musiker, die auf Initiative der Münchner Jahrhundertgeigerin Julia Fischer seit 2012 gemeinsam Jahr für Jahr die Perlen der Quartettliteratur in ausgewählten Konzertsälen interpretieren, ist ein Meister seines Instruments und auf internationalen Bühnen und bei den weltbesten Orchestern als Solist gefragt. Hierzulande erübrigen sich bei Julia Fischer (1. Violine) und Nils Mönkemeyer (Viola) weitere Worte der Vorstellung. Aber auch Yehudi Menuhins musikalischer Ziehsohn Alexander Sitkovetsky ist mittlerweile aus dem mächtigen Schatten seines Onkels Dmitri herausgetreten und hat sich als feinfühliger und temperamentvoller Musiker in Solokonzerten und diversen Kammermusikformationen einen Namen gemacht. Ebenso wie der Cellist Benjamin Nyffenegger, welcher derzeit stellvertretender Solocellist im Tonhalle Orchester Zürich ist. Sie alle eint neben der exzellenten solistischen Beherrschung ihrer jeweiligen Instrumente eine seelenverwandtschaftliche Beziehung zur Kammermusik.
Ensembles aus Solisten ihres jeweiligen Instruments zu formieren birgt Risiken. Genauso wie die größten Stars des dramatischen Opernfachs nicht unbedingt die besten Interpreten romantischer Kunstlieder sind. Heutzutage jedoch hat zumindest an den meisten Lehrstühlen für Streichinstrumente die Kammermusik einen festen Platz eingenommen, je nach Vorliebe der Dozenten und der Studierenden mehr oder weniger intensiv. Die vier Mitglieder des Julia Fischer Quartetts sind allesamt von Kindesbeinen an mit Kammermusik in Verbindung gekommen – und das hört man. Schon die ersten getragenen Takte des anfänglichen Streichquartetts in Es-Dur („Harfenquartett“) von Ludwig van Beethoven offenbarten perfekten Quartettklang von fein abgestimmter Linienführung und Phrasierung bis hin zu gleichschwingendem Vibrato, in Frequenz und Amplitude angepasst an den musikalischen Gehalt des jeweiligen Stücks. Im vollbesetzten Prinzregententheater hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Im zweiten Satz zeigte sich eine weitere Qualität dieses Quartetts. Mittelstimmen und Cello nämlich verstehen es, eine homogene klangliche Thermik zu schaffen, die es Julia Fischer ermöglicht, mit ihrem elysischen Geigenton Kantilenen zu spielen, als würde sie bei strahlendem Sonnenschein über einen glitzernden Gebirgssee mit dem Gleitschirm in ein Alpental schweben. Kein Wunder, dass nicht nur das hochkonzentrierte Publikum von schierer Freude erfüllt war, sondern sich auch die vier Musiker vom Glück des gemeinsamen Musizierens beseelt immer wieder zulächelten und feine spontane Impulse gaben, jenseits der einstudierten Interpretation.
Beim Streichquartett Nr. 1 („Kreutzer Sonate“) von Leos Janácek demonstrierten die Musiker die ganze Bandbreite ihrer differenzierten Klangkunst – von weichen Kantilenen und dramatischem Tremolo in jeglicher dynamischer Abschattierung bis hin zu scharf-metallischem sul ponticello. Julia Fischer spielte einmal gar so nah am Steg, dass ihr einmal der Bogen über diesen hinausrutschte und im ewigen Kolophonium landete.