Der Countdown bis Weihnachten läuft. Konzertgänger und Musiker gleichermaßen wissen in der Regel, wie dieser eingeläutet wird: entweder mit Bachs Oratorium oder Händels Messias. Letzterer hat ganz besonders in Großbritannien Tradition, selbst wenn er bei seiner Premiere in der Königreichkapitale London so seine Schwierigkeiten hatte, ehe er sich von da zum (durch die Weite der Geschichte eigentlich österlichen) Festliebling entwickelte. Es ist kein Wunder, dass dort beheimatete Barockensembles eingeladen werden, diesen englischen Händelklassiker in Europa auf erwartungsvolle Ohren eines vom Geschenkekauf gestressten Publikums zu bringen. Auf der Bühne der Philharmonie Essen versammelte sich dafür The King’s Consort, die zugleich 275 Jahre Messiah feierten.
Und das eindeutig mehr der Besinnlichkeit angepasst, geht man vom typischen Ansatz Robert Kings aus (genauso bekannt wie das Stück an sich), die Musik und Klangpracht durch getragenes Maß auszukosten. Zwangsläufig bleiben so Räume für Details und gestische Einwirkungsmöglichkeiten, von denen King einigen Gebrauch machte. Zum Vorschein kamen dadurch die auffällig zahlreichen Triller, die entfaltenden oder zurücknehmenden, durchdachten Dynamikabstufungen und Phrasierungsbögen sowie Färbungen und größtmögliche Deutlichkeit. Seine hervorragenden Ensembles, das Orchestra und der achtzehnköpfige Choir of The King's Consort, wussten diese ausgewogen, höchstgradig exakt und dank antiphoner Aufstellung klanglich und stimmtechnisch bestens ausbalanciert umzusetzen.
Bietet das stets langsame Tempo natürlich die Grundlage für lobenswerte und geforderte Genauigkeit und Textverständlichkeit, birgt es zugleich die übergroße Gefahr der Eintönigkeit, die auch der so vortrefflich artikulierende Chor, nicht gänzlich vergessen machen konnten. Vor allem der erste Teil, Advent und Weihnachtsgeheimnis, floss so weich, sanft und pastoral, dass man sich über eine ausgelassenere Kontrastierung nicht beschweren hätte können. Lediglich die straffere Einleitung der Sinfonia, dann allen voran Joshua Ellicotts mit nötigem Oratoriumstheatralik-Schuss lebendig gestalteten, erquickend klaren Einstieg der Erzählung sowie die von der Orgelempore leuchtenden „Glory to God in the highest“-Trompeten erweckten die Hoffnung auf eine höhere Temperatur in dieser Weihnachtsbäckerei.
Immerhin verfolgte King konsequent das gemäßigte, edle Ehrwürdige, zu dem die übrigen Solisten wunderbar beitrugen. Jahrzehntelang an Kings Seite für die Sopranrolle, verinnerlichte Lorna Anderson diesen Duktus: zurückhaltend, vibratogeschmückt, präzise, aber etwas steif, sodass die gemütliche Schönheit und ihr Vermögen des luftigen, leisen Ausschleichens den spritzigen Affekt wie zum Beispiel in ihrer „Rejoice greatly“-Paradearie überdeckten. Mehr Expression vermittelte Hilary Summers, die passend zu ihrem bordeauxroten Samt-Umhang die Zion-Anrufung und den geteilten Duett-Part mit galanter, dunkler, warmer Stimme glasierte, welche sich auf und in die Melodiewogen legte. Für Funken von Energie und die Verkörperung der Auflichtung, die das Orchester aus dem Pianissimo prächtig illuminierte, sorgte Bass Henry Waddington, der mit seinem „shakenden“, dennoch angenehmen Operntimbre durchdrang.