Nach Esther letzten Herbst und vor Abschluss der dreiteiligen Reihe Händels erster englischer Oratorien mit Athalia kommenden Oktober anlässlich Ton Koopmans Jubiläumssaison zum 80. Geburtstag hieß es für sein Amsterdam Baroque Orchestra and Choir nun: Deborah. Das zweite, in (Doppel-)Chören und großer Besetzung noch wuchtigere Werk auf eine biblische Heldin, das 1733 einen neuerlichen Grundstein für dieses Genre legte. Dafür ging es zum Tourauftakt als einzige Station in den Niederlanden nach Utrecht, wo vergangenes Jahr hiesige Königin und Ex-Königin Koopman persönlich gratulierten.
Durch Steuer- und Konkurrenzentscheidungen des britischen Regenten beziehungsweise Prince of Wales stand Händel zu Jahresbeginn 1733 unter ökonomischem, zeitlichem und aufführungspraktischem Druck. Daraus resultierte, dass der Komponist und Geschäftsmann anknüpfend an den Esther-Erfolg innerhalb der ersten Februarwochen das nächste Oratorium schrieb. Es behandelt die alttestamentarische Deboraschlacht, in der Israels oberste Richterin und Ratgeberin die Rettung ihres Volks durch das Vertrauen ihres Feldmarschalls Barak auf Gott sowie den Tod des Kanaan-Gegenspielers Sisera durch die Hand der Frau Jael prophezeit. So ist Deborah aus genannten Gründen erneut zu allergrößtem Teil ein Pasticcio aus vielen beliebten, prägenden Werken und Adaptionen Händels.
Jene damaligen Motive färbten auch die gewissen Zwänge Koopmans, der die Partitur und teils doppelte Orchesterpartie bei Instrumentalsätzen, Rezitativen, Jaels Arien und der Mini-Rolle weiterer Israelitin effizient wie zur Erreichung einer heutzutage wohl verträglich angenommenen Aufführungsdauer von zweieinhalb Stunden inklusive Pause zusammenstrich. Konnte Händel einige Gesangsstars bei sich halten, wollte Koopman dem Rechnung tragen, indem er mindestens die jeweilige Titelfigur mit einer aktuellen Solistin dieses Kalibers besetzt.
Sophie Junker ist eine absolute Händelspezialistin, die glücklicherweise gewonnen wurde, untermauerte sie doch einmal mehr eindrucksvoll, theatralisch packend, die Ehrfurcht anregend und in erlösender Zuversicht anmutig berührend, dass sie zu den absolut Besten ihres Fachs gehört. Insgesamt verkörperte Junker Deborah mit einer faszinierenden, stilistischen und expressiven Autorität – wie heißt es so schön: wenn Stimme und Blicke töten könnten! Mit herausragend bestechender Deutlichkeit, technisch-affektreichem wie strahlendem Ausdrucks- und Phrasierungsformat eigener Sopranqualitätsliga machte sie den Abend zu einem durchaus denkwürdigen Barockerlebnis. Ihre Leuchtkraft spiegelte sich darüber hinaus in den vorzüglichen Chorsopranen (mit höchst akkurater Amelia Berridge als Jael), Deborahs scheinende Aura und Botschaft in der Pracht des gesamten ABC, der in stimmlicher Andienung das personifizierte, hoffende, siegreiche Israel gegenüber weniger starken Baalsleuten mit besonders identifikatorischem Gefühlszensus versah.
Wenn überhaupt nur mit minimalen Abstrichen bei manchem Ausspracheansatz, lässt sich Junkers Bann überdies auf Countertenor Jakub Józef Orliński übertragen, den Koopman als zusätzlichen Star verpflichtete. Großartig, wie scheinbar mühelos er durchdringend, farbig und beweglich seine stilistisch so angenehm klare wie ätherische Stimme einsetzte, Deborahs Mann für die Schlacht samt ihrer und Erwartung der Priester mit solchem Vertrauen auszustatten, dass die Überzeugung des Volks umso berechtigter wirkte. Sopran, Counter und Chor profitierten im Klang zudem vom Kirchenraum, der als architektonisch-akustischer, tragender Verstärker ihrer sowieso schon megafonischen, in Ohr und Herz treffenden Vokalcharakterlichkeit fungierte.