Faschingsumzüge, die immer gleichen (und dabei nicht besser werdenden) Witze im Fernsehen und zu allem Überfluss ein bierselig gelalltes „Lei-Lei“: für all jene, die mit dieser Seite des Faschings nicht so recht warm werden bot das Konzert des recreation – großes Orchester Graz im Stefaniensaal, das unter dem Motto „Karneval“ stand, die perfekte Alternative. In einem vielfältigen Programm wurde ein bunter Bogen über drei Jahrhunderte gespannt, wobei allerdings nicht ganz klar wurde, welchen Bezug Jennifer Higdons Percussion Concerto zum übergeordneten Karnevalsthema hatte. Gestört hat diese kurze Faschingspause aber nicht, war die fünfte Jahreszeit in den übrigen gespielten Werken doch omnipräsent.
Fesselnde Präsenz bewies auch die amerikanische Dirigentin Mei-Ann Chen, die vor Energie strotzend nicht nur das Orchester zu einer exzellenten Leistung pushte, sondern auch das Publikum beim Applaus geschickt zu (noch mehr) Jubel animierte. Das Orchester bestach wie immer durch transparenten Klang, perfektes Zusammenspiel und fein differenzierte Dynamik. Darüber hinaus schien Chens Dirigat noch einen zusätzlichen Funken an Konzentration und Motivation unter den Musikern gezündet zu haben, der gemessen an der Stimmung im Saal, auch sofort auf das Publikum übergeschwappt ist.
Den Auftakt zu einem ausgelassenen Abend machte Antonín Dvořáks Karneval-Ouvertüre, die schon mit ihrem ekstatischen ersten Thema Orchester wie Publikum im Schwung in eine nicht näher bestimmte Karnevalsfeierlichkeit zu stoßen schien. Bei aller Feierlaune blieb aber immer wieder auch Zeit für sehnsüchtige Regungen, wunderbar seelenvoll etwa von der Solovioline in Klang gegossen. Mit flotten Tempi und überbordender Ausgelassenheit rasten die Musiker dann aber wieder ganz unmelancholisch zum abschließenden Fortissiomo-Ausbruch.
Weniger exaltiert klang das bunte Treiben im Stück Karneval in Paris des Norwegers Johan Svendsen. Nordische Weite und Nachdenklichkeit schienen sich mit der Enge der Pariser Gassen und der dort herrschenden Fröhlichkeit zu verbinden, als das Orchester unter Mei-Ann Chen beide Komponenten schließlich im Grande finale zu verweben begann. Neben dem zuvor schon furios präsentierten Überschwang kamen hier auch die sanfteren Passagen ganz wunderbar zur Geltung, etwa als die Phrasen des Fagotts wie Goldstaub über dem Orchester zu glänzen schienen.
Eine Auszeit von der närrischen Thematik des Konzerts war vor der Pause mit Jennifer Higdons Percussion Concerto gegeben. Das Werk der amerikanischen Komponistin entstand im Jahr 2005 als Gemeinschaftsauftrag dreier Orchester und wurde 2010 mit einem Grammy ausgezeichnet. Mit entrückten Marimbaklängen wurde man als Zuhörer sofort in eine märchenhafte Welt hineingezogen, bevor schließlich, unterstützt durch das um einige Perkussionisten aufgestockte Orchester, die Musik anschwoll. Durch die naturgemäß eher dominanten Schlaginstrumente wirkten die übrigen Instrumentengruppen oft untergeordnet. Stellenweise entfalteten sich aus dem Orchester aber auch regelrecht Copland-artige, üppige Melodien; andererseits gab es jedoch auch immer wieder Momente der fast vollständigen Stille.