Ursprünglich hatte man das Open-Air-Spektakel „Klassik am Odeonsplatz“ im Millenniumsjahr zur Feier der deutsch-französischen Aussöhnung veranstaltet. Jetzt, sechzehn Jahre später, weht am Odeonsplatz wieder die französische Flagge, diesmal allerdings aus einem traurigen Anlass. Die Ereignisse in Nizza wollten die Münchner Philharmoniker nicht unkommentiert lassen und zeigten ihre Solidarität, indem sie ihrem Programm das Air aus Bachs dritter Orchestersuite voranstellten.
Die Einzigartigkeit des „Freiluft-Konzerthauses" nutzten die Philharmoniker, die zum ersten Mal mit Chefdirigent Valery Gergiev und dem Pianisten Daniil Trifonov am Odeonsplatz konzertierten, mit einem Programm von Tschaikowsky über Richard Strauss bis Ravel voll aus. Die Suite aus dem Ballett Schwanensee und das berühmte Leitmotiv der Schwäne eröffnete Gergiev in flottem Tempo, wobei er dennoch den mystischen Charakter beibehielt. Bereits mit der Tschaikowsky-Suite wurde klar, dass Gergiev die tänzerischen Passagen mit mitreißender Klangfülle gestalten wollte – eine Idee, die in der Open-Air-Atmosphäre aufging. Die Agilität des Orchesters ging dabei nicht verloren, sondern man hatte im Gegenteil das Gefühl, dass die Musiker noch ausgelassener spielten.
Viel mehr Eleganz verlangte Gergiev dagegen in Tschaikowskys Erstem Klavierkonzert, das Daniil Trifonov bedeutungsschwer eröffnete. Technisch einwandfrei bot Trifonov ein Konzert der Extra-Klasse. Er spielte nicht nur die Läufe mit vollem Risiko in halsbrecherischer Geschwindigkeit, bei der er dennoch Zeit für dynamische Gestaltung fand, sondern verlieh dem Konzert besonders in den Solopassagen des ersten Satzes eigene Note. Gegensätzlich zu den rasanten Läufen entschleunigte er hier das Geschehen und baute in sehr kontrollierter Ruhe große Spannungsbögen auf, deren Höhepunkte von kantigen Ausbrüchen bis zu schwelgerischen Erzählungen reichten. Trifonov gab sich dadurch zudem die Zeit, die Läufe in der rechten Hand ganz entspannt und mit ganz sanftem Anschlag perlend herauszuarbeiten. Solist und Orchester zeigten sich auch im Zusammenspiel bestens aufeinander eingestellt. Im Finale ließ Trifonov seine Solopassagen auf den Orchesterklang prallen und unterstrich damit den kraftvollen Charakter des letzten Satzes noch zusätzlich.