Es liest sich wie ein Koloss von einem Programm: 12 Kompositionen von 11 Komponist*innen, 4 Bearbeitungen und 3 neue Werke ausgeführt von 2 musikbesessenen wagemutigen Niederländischen Ensembles. Dazu ein abendfüllendes Thema, dass niemand kalt lassen kann: Mutter Erde, so heißt der von Titus Tiel Groenestege in Szene gesetzte Konzertabend, für den sich Cappella Amsterdam und Calefax unter der konzentriert-engagierten Leitung von Daniel Reuss zusammengefunden hatten. In 90 Minuten ohne (Umbau)pausen rasten die mit raffiniertem Beleuchtungsplan (Floriaan Ganzevoort) exzellent und resolut dargebotenen Werke wie auf einer Achterbahnfahrt über die Bühne des Leidener Stadgehoorzaals.
Mutter Erde ist ein universelles Konzept, mit dem gleichzeitig jeder auf unserem Planeten seine eigenen Assoziationen hat. Es bezieht sich darüber hinaus auf Emotionen, die sich schwierig in Worte fassen lassen. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns kollektiver als früher bewusst sind, dass die Erde ohne den Menschen auskommen könnte, der Mensch aber nicht ohne die Erde auskommt. Im Zeitalter des Elektroautos und der Flugscham erkennen immer mehr Menschen, dass es für jeden Einzelnen gilt, klare Entscheidungen zu treffen.
Das Programm begann vielsagend mit dem Chaos betitelten Satzes aus den Elementen des Barockkomponisten Jean-Féry Rebel in einer Bläserbearbeitung von Jelte Althuis. Wasser, Feuer Erde und Luft führen darin einen wilden Streit, der durch das Fehlen von Streichern und Cembalo leider einiges an Farbenreichtum im Vergleich zur Originalversion einbüßte. Wer nun aber dachte, dass die fünf Calefaxsolisten größeren Ensembles kein Paroli bieten konnten, wurde danach schnell eines Besseren belehrt.
Schon die drei ausgewählten Sternzeichen aus Karlheinz Stockhausen Tierkreis ließen Aufhorchen. Jede dieser Melodien charakterisiert die besonderen Eigenschaften von Menschen, die unter dem jeweiligen Sternzeichen geboren wurden. Ursprünglich für Spieluhren konzipiert, kann das Werk in jeder beliebigen Besetzung aufgeführt werden. Abgewechselt wurden diese kurzen von Calefax prägnant und spritzig ausgeführten Stücke mit drei von Antonín Dvořáks fünf Lieder In der Natur , auf Texte von Vítězslav Hálek (1882) in denen Cappella sein Publikum in ein warmes volltönendes Bad tauchte. Das Abwechseln dieser volkstümlich-romantischer Chormusik mit Stockhausens melodiösen musikalischen Aphorismen war überraschend und schärfte die Ohren für beide Schaffensperioden.