Ihr vorerst letztes Konzert vor der neuerlichen Schließung des Hauses eröffneten die Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko mit Andrew Normans Sabina, der Bearbeitung des letzten Satzes seines Streichtrios The Companion Guide to Rome für Streichorchester. Der Komponist musikalisierte in dem Stück, wie in der Kirche Santa Sabina auf dem Aventin-Hügel in Rom das Sonnenlicht auf dem Marmorboden bricht. Fast unhörbar setzten die Streicher ein und steigerten sich zu immer weiträumigeren Arpeggien. Einzelne Motive stachen glitzernd heraus. Das Licht verschwand allmählich. Davon, dass Norman das Lichterschauspiel bei einer Frühmesse beobachtete, zeugten Anklänge an einen Choral am Ende des Stücks.
Mit den Metamorphosen von Richard Strauss folgte der erste Rückblick auf die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter Petrenkos Leitung erklang eine Musik, die voller Erinnerung ist. Motive waren hörbar, die sich umeinander rankten, nach Kontakt zueinander suchten, Kombination miteinander eingingen, die verdichtet, ja enggeführt wurden – und doch letztlich völlig einsam und ohne Beziehung für sich blieben. 23 Solostreicher musizierten mit Hingabe und blickten dabei gemeinsam auf eine Ruine: auf einen Sonatensatz, dessen Gehäuse keinen Halt mehr bot, weil es in sich zusammengebrochen war.
Aufkeimende Entwicklungen verebbten und die Orientierungspfeiler der Musik, z. B. die Aufhellung nach C-Dur, die Modulation nach Es-Dur oder der Einsatz der Reprise, zeugten nur noch vage davon, dass mit derartigen Mitteln einst Prozesse gestaltet wurden, die auf ein gutes Ende zuliefen. Doch Strauss wollte die Kraft dazu nicht aufbringen, um künstlerisch zu gestalten, was im Leben nun nicht möglich war. Schwelgerische, oder larmoyante Töne ließ Petrenko in dieser Aufführung nicht zu. Hier klagte auch keiner mehr – hier schrieb einer gefasst und im Wissen darum, dass diese Art zu komponieren nach 1945 vorbei ist. Am Ende des Werkes erklang in den tiefen Streichern ein Motiv aus dem Trauermarsch der Eroica. Doch verhinderte ein verminderter Septimenakkord, den Beethoven selbst nicht gesetzt hatte, dass sich das Zitat in die Partitur einnisten konnte. Es wirkte wie ein Fremdkörper und ließ sich auch dann nicht in die Metamorphosen integrieren, wenn Strauss eines der Hauptmotive seiner Komposition von Beethovens Motiv abgeleitet hat.