Die Wiederaufnahme der schon in der Saison 2011/12 in der Oper Graz gezeigten Produktion von Otello in der Inszenierung von Stephen Lawless war für mich zunächst wenig ansprechend, erschien unspektakulär und leider auch unausgegoren: Das braun-beige Einheits-Bühnenbild, auf dem wahlweise eine Bank, ein Sessel oder ein gekreuzigter Jesus platziert wurden, schaffte es nicht, zu spannendem Musiktheater beizutragen. Ebenso wenig konnte mich die Personenführung überzeugen – beinahe alle Figuren blieben in der Darstellung äußerst blass, und die Idee, Jago mehr als listigen Hofnarr denn als aus tiefster Seele Hassenden darzustellen, ging für mich beispielsweise überhaupt nicht auf, es fehlte der Figur dadurch schlicht an Glaubwürdigkeit. Dieser szenischen Spannungslosigkeit standen aber standen ein bestens disponiertes Orchester und eine grandiose Sängerin der Desdemona gegenüber.
Am Pult des Grazer Philharmonischen Orchesters kostete Dirk Kaftan besonders die dämonischen Abgründe von Verdis Musik voll aus, ließ etwa die Celli dabei immer wieder herrlich brodeln, um dann energisch aufzuwallen. Dabei bewahrte er stets eine perfekte Abstimmung zwischen Sängern und Orchester und ließ sich nie zu übermäßiger Lautstärke oder gar Hektik hinreißen. Auch in den romantisch-sanften Passagen konnte Kaftans schnörkellose, aber trotzdem emotionale Lesart mit einem breiten Spektrum an Klangfarben auftrumpfen. Das Orchester punktete mit enormer dynamischer Differenziertheit, besonders schön gerieten etwa die herrlich klagenden Piani der Streicher im vierten Akt.
Als Otello fehlte es der Darstellung des litauischen Tenor Kristian Benedikt etwas an Leidenschaftlichkeit und kam oft über klischeehaftes Händeringen nicht hinaus. Auch wirkte er zunächst etwas verhalten, vor allem die Höhen und die Piani gerieten stellenweise sehr angestrengt und gaumig, während die dramatischen Ausbrüche dann doch seine volle stimmliche Kraft erahnen ließen. Nach der Pause klang seine dunkel timbrierte Stimme weitaus freier und auch im Piano ausgewogener. Besonders im Forte konnte er seine Stärken wieder voll ausspielen und mit viel Durchschlagskraft und stählernen Spitzentönen die Zerrissenheit und Eifersucht Otellos verdeutlichen.