Die Semperaula im Hauptgebäude der ETH Zürich ist ein Konzertraum mit einem speziellen Flair. Sie wurde 1859 – 1868 nach den Plänen von Gottfried Semper erbaut und ist im Originalzustand erhalten. Der Raum steht unter Denkmalschutz und wirkt an dunklen Winterabenden etwas düster, geheimnisvoll – ein Aspekt, dem man an diesem ausverkauften Sonatenabend kaum Beachtung schenkte.
Am Anfang des Programms stand die liedhafte, innige Sonate Nr. 2 in A-Dur, Op.100, welche Johannes Brahms 1886 in Thun (CH) fertiggestellt hat. Da spricht nicht mehr die brennende, heftige Liebe seiner Jugend, sondern eher die milde, abgeklärte Zuneigung zu einer Altistin, deren Ankunft er erwartete. In der Klaviereinleitung ist man gleich umfangen von der lyrischen Grundstimmung des Satzes: Benjamin Engeli spielte sehr plastisch, gefühlvoll, mit weichem, rundem Ton (durch die Raumakustik noch zusätzlich unterstützt), überzeugend in der Tempowahl, wobei er die Melodien wunderbar aufblühen ließ.
Nach anfänglichen Einwürfen übernimmt die Violine mehr und mehr, bis sich ein stimmungsvoller Dialog einstellt – oftmals auch leidenschaftlich, dann wieder in zutrauliche Unterhaltung zurück wechselnd. Sebastian Bohren überzeugte auf seiner Stradivari „King George“ (1710) mit sicherer Intonation und sehr geschmackvollem, sparsam eingesetztem Vibrato; der helle Klang der Violine hatte selten Probleme, sich Gehör zu verschaffen. Das Zusammenspiel war ausgezeichnet: zwei Seelen im Einklang bis zum Jubel der Schlussakkorde.
Der zweite Satz beginnt mit einem Andante tranquillo; Brahms’ melodische Erfindung ist wundervoll, vielleicht entfernt an Schubert erinnernd, sehnsuchtsvoll, wehmütig; ein Bild das für mich leicht getrübt wurde durch die oft bauchige Artikulation der Violine: ich hätte eine schlichtere Spielweise bevorzugt. Im nachfolgenden Vivace-Teil schreibt Brahms im Klavierpart molto leggiero; mich dünkte dieser Teil etwas zu schwer, aber das mag auch der Natur des modernen Flügels und der Akustik geschuldet sein.
Nach einem Andante-Ritornell folgt ein Vivace di più, in welchem sich die Grenzen des heutigen Flügels zeigten: die Pizzicati der Violine waren oft kaum wahrnehmbar. Anderseits überzeugte die agile Klavierbegleitung mit ihren subtil hingetupften Akzenten. Im Schlusssatz ergab sich für den Violinisten die Gelegenheit, die tiefen Register des wertvollen Instruments zur Geltung zu bringen, natürlich auch dank Brahms’ umsichtigem Klaviersatz, der manchmal an seine frühen Sonaten gemahnt.
Die 1914 komponierte Sonate von Leos Janáček beginnt mit einem leidenschaftlich drängenden ersten Satz. Die Melodie wird erst auf der Violine vorgetragen, dann vom Klavier übernommen, wobei Benjamin Engeli es meisterhaft schaffte, sie inmitten eines oftmals sehr bewegten Klavierparts in den Mittelstimmen zum Klingen zu bringen. In der nachfolgenden Ballada dominieren getragene Melodien, oft als Duett von Violine und einer Klavierstimme, mit tremolierender Begleitung: ein intimer Satz, vorgetragen von zwei ausgezeichnet harmonierenden Musikern, mit warmen, singenden Tönen in der Violine, dann wieder in höchsten Höhen sanft im pianissimo entschwebend. Es war erfreulich, dass exzessives Vibrato vermieden wurde.