Am Ende einer Operette muss kein Happy End stehen, bei Franz Lehár fehlt es in der Regel sogar: der Zarewitsch muss seiner Liebe ebenso entsagen wie der Prinz aus dem Land des Lächelns. Als Paul Abraham mit sensationellem Erfolg die Operettenbühne eroberte und gleich mit Viktoria und ihr Husar einen Sensationserfolg feierte, sah die Operettenwelt anders aus. Das glückliche Ende wurde erwartet und die Operette hatte bereits Züge einer Revue angenommen. Und so steht denn hier am Ende auch das große Liebeslied des Husaren Koltay an seine geliebte Viktoria, mit der er ja schon einmal verlobt war. Doch dann war die Nachricht eingetroffen, er sei im Krieg gefallen, und Viktoria war die Ehe mit einem amerikanischen Gesandten eingegangen. Koltay hat jedoch überlebt, konnte aus einem russischen Gefangenenlager entkommen und trifft seine Viktoria zufällig in Tokio in der dortigen Botschaft wieder. Am Ende entsagt der Gesandte und das einstige Liebespaar kann wieder zusammenkommen.
So jedenfalls bei Abraham, nicht aber in der Inszenierung von Josef Köpplinger am Münchner Gärtnerplatztheater, die wieder auf dem Spielplan steht und jetzt kurzfristig als Stream zur Verfügung steht. Bei Köpplinger zieht sich die angebetete Viktoria von der Bühne zurück und die Szene verwandelt sich wieder in das Lager, in dem die Operette ja auch bei Abraham begonnen hat. Der sowjetische Leutnant zieht seine Pistole und richtet sie auf Koltay. Köpplinger nimmt die für eine Operette ungewöhnlich politische Situation zu Beginn des Stücks ernst. Denn Koltay und sein Bursche Janczy hatten sich Gegenrevolutionären angeschlossen und warten auf die sichere Hinrichtung. Nur Janczys Geige rettet ihnen das Leben.
Bei Abraham jedenfalls ist sie der Preis für ihr Entkommen. Zugegeben eine selbst für eine Operette allzu märchenhafte Wendung, und so fand Köpplinger eine raffinierte Alternative. Bei ihm soll Koltay wie einst Scheherazade in 1001 Nacht um sein Leben erzählen. Und so malt er sich nun vor dem Ohr des Leutnants aus, wie er seine Viktoria wiedertreffen, wie sie beide ein Paar werden könnten. Köpplinger bringt auf die Bühne eine reine Fantasie. Die ganze Geschichte kommt als Spiel im Spiel auf die Bühne. Karl Fehringer und Judith Leikauf haben dafür ein schlichtes, aber eindringliches Bühnenbildkonzept entwickelt. Kaum beginnt Koltay mit seiner Erzählung, öffnet sich in der Lagerkaschemme hinten ein Vorhang und heraus purzelt gewissermaßen die Welt Japans und der amerikanischen Botschaft mit all dem ernsthaften Personal wie dem Gesandten und seiner Frau Viktoria sowie deren Bruder Ferry, der im Begriff ist, die Halbjapaner/pariserin O Lia San zu ehelichen.