Jedes Jahr präsentiert die Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten mindestens ein Konzert, das vielversprechenden angehenden Instrumentalsolisten den Einstieg in eine internationale Konzertkarriere ermöglichen soll. Diesmal spielte das Tschaikowsky-Symphonieorchester Moskau unter der Leitung von Vladimir Fedoseyev ein reines Tschaikowsky-Programm.
Es war ein ungewohnter Anblick: Angesichts des großen Publikumsandrangs war das Podium auf Minimalgröße belassen worden und für die einleitende Tondichtung Francesca da Rimini drängte sich die volle Formation des russischen Orchesters dicht an dicht auf der Bühne. Es war faszinierend, die Musiker des Ensembles bei ihrer Arbeit zu beobachten. Die Fülle an Berufserfahrung und die Vertrautheit mit dieser Musik waren evident, aber wer hier Zeichen von Routine und Berufsalltag erwartet hätte, suchte vergebens. Keiner der Musiker lehnte sich bequem im Stuhl zu passivem Spiel zurück (das erlaubte bei den meisten schon das Notenpult im Rücken nicht): Vom Konzertmeister bis zu den Kontrabassisten hinten links zeigten alle Musiker volles Engagement, waren immer bei der Sache; entsprechend klar und virtuos war das Resultat.
Der Orchesterklang war in diesem Werk berechtigterweise streicherdominiert. Beeindruckend die Klangfülle, satt der Ton der Violinen, trotz der großen Zahl der Instrumente blieb die Artikulation auch in raschen Verzierungen wie Passagen und Doppelschlägen deutlich. Die Bläser erklangen wie ein einziges Instrument aus der Mitte des Streicherglanzes, vollends integriert in den Klangkörper. Fedoseyev dirigierte ohne Taktstock, mit sparsamer Gestik und erzielte trotzdem eine hinreißende, sehr beeindruckende Interpretation: dramatisch-emotional die wirbelnden Winde, die die Liebenden für immer in den Orkus entführen, ergreifend die traurig-schöne Melodik in der Erinnerung an Momente des vergangenen Glücks – alles in allem eine durchweg glanzvolle Leistung!
Das erste, was beim Violinkonzert mit dem 26-jährigen Tschechen Jan Mráček auffiel, war das deutlich unter Tschaikowskys Metronomvorgabe für ein Allegro moderato gewählte Tempo im ersten Satz. Es war eine bewusste Entscheidung, aber nicht aus Rücksichtnahme auf beschränkte Fähigkeiten des Solisten, ganz im Gegenteil: Mráček hat in diesem Konzert von A bis Z überzeugt. Der Geiger nutzte das langsame Zeitmaß für die sorgfältige Gestaltung des Soloparts, die detaillierte Artikulation und Phrasierung, dabei den weichen, in der Tiefe warmen und vollen Klang seines Instruments ausspielend. Er behielt engen Kontakt mit dem Orchester, seine Erfahrung als Konzertmeister nutzend. Im Gegenzug widmete Fedoseyev einen Großteil seiner Aufmerksamkeit liebevoll dem Solisten. Jan Mráček horchte bald in sich hinein, suchte aber ebenso den Blickkontakt mit dem Publikum. Sein Spiel war äußerst intonationssicher, lyrisch, poetisch, intensiv und innig bis in die leisesten Flageolettöne und die Pausen der Kadenz: keine olympische Tempohetze, aber ein Künstler, der weiß, was er will. Das einzige, was man der Interpretation ankreiden konnte war, dass die Musik manchmal nicht vom Fleck, der Allegro-Charakter nicht zur Geltung kam.