Dardanus, oder Barockoper in all ihrer Pracht? Diese Fassung aus 1739 hat sicherlich alle wichtigen Eigenschaften, aber Michel Faus Inszenierung, angetrieben von außerordentlich modernem Bühnenbild und Kostümen, versetzt uns in ein einzigartiges Universum. Unter der Leitung von Raphaël Pichon am Grand Théâtre de Bordeaux erlebt Rameaus wortreiches Werk eine besondere Wiedergeburt.
Rameau war 56 Jahre alt, als er Dardanus komponierte, ein Werk, das sich irgendwo zwischen tragischer Oper und Ballett bewegt. La Bruères Libretto steht wegen seiner Schlichtheit oft in der Kritik, erzählt es doch eine wenig originelle Liebesgeschichte hinter verschlossenen Türen: Iphise, dem Verbündeten ihres Vaters Teucer, Antenor, versprochen, ist zerrissen zwischen ihrer Verpflichtung als Tochter und ihrer Leidenschaft für Dardanus, Sohn von Jupiter und eingeschworener Feind Teucers. Das Werk ist durchdrungen von einer übernatürlichen Atmosphäre, die oft traumgleiche Züge annimmt, besonders im „Ballett der Träume“.
Die Stimmen der Protagonisten wurden nicht durch Zufall gewählt. Mezzosopranistin Gaëlle Arquez (Iphise) und Tenor Reinoud Van Mechelen (Dardanus) betonen beide, dass sie barockes Repertoire lieber in ungekünstelter Manier singen. Arquez, der bereits für Pichons Aufnahme von Dardanus erste Wahl war, war lebender Beweis dafür und projizierte Iphises Mühen mit viel Energie, aber nie übertrieben. Einen Mangel an Emotion konnte man auch van Machelen nicht unterstellen, dessen volle, tiefe Stimme der Verzweiflung ihres Geliebten Dardanus Leben einhaucht. Eine weitere bemerkenswerte Darbietung gab Karina Gauvin als kraftvolle, strahlende Venus, die sich in diesem Stil hörbar wohl fühlt (und die hier anstelle von Sabine Devieilhe gewählt wurde, die Venus auf der Aufnahme singt).
Was von dieser Inszenierung am längsten in Erinnerung bleiben wird ist Emmanuel Charles' Bühnenbild, außergewöhnlich modern und doch ganz im Dienste dieses stark barocken Werkes. Ein konstantes Spiel von Licht und Schatten erweckt die Szenerie zum Leben, greift ineinander und schafft eine phantasmagorische Atmosphäre. Die Farben sind honigsüß, elektrisierend, sorgfältig abgestimmt. Purpur findet sich in vielen Elementen der Szenerie wieder, von denen einige verschiedene Elemente verbinden: der Grund, Knospen und die Blüten, die aus ihnen erwachsen, ein sternklarer, bewölkter oder gewitterschwerer Himmel, die von Neptuns Rage aufgerührte See. Glitzer und Farbwechsel der Beleuchtung tragen zum Gefühl von Barock unter einem neuen, modernen Himmel bei, vielleicht verhalten kitschig – mit einem vielsagenden Beispiel in Venus' Palast.