Wenn jemand auf dem modernen Klavier die Goldberg-Variationen aufzuführen plant, so rührt das unmittelbar an die Frage der Authentizität, denn die Klangwelt des Klaviers lag zu Bachs Zeiten außerhalb des Vorstellungsvermögens eines Komponisten. Bearbeitungen für andere oder gar mehrere Instrumente fallen nicht in die gleiche Kategorie. Beispiele sind etwa Josef Rheinbergers Bearbeitung der Goldberg-Variationen für zwei Klaviere, oder eben – wie in diesem Konzert – Dmitry Sitkovetskys Bearbeitung für Streichtrio. Hier muss der Bearbeiter seine eigenen Kenntnisse, seine Kreativität einbringen; dabei entsteht etwas, das als eigenständiges Werk gelten und somit schon für sich wieder den Anspruch auf Authentizität und Originalität geltend machen kann.
Die Goldberg-Variationen beginnen mit der Vorstellung der Aria, dem Thema, dessen Basslinie respektive dessen harmonischer Verlauf sämtlichen 30 Variationen zugrunde liegt. In der Darbietung durch das Trio Zimmermann präsentierte sich die Aria als gefühltes Understatement, die Dynamik ganz zurückgenommen, die Tongebung bewusst bescheiden, fast ohne Vibrato. Die Artikulation war für mich etwas zu sehr zwischen portato und legato, zu wenig perkussiv im Ansatz. Auch erschien mir die Bogenführung fast primitiv, oftmals ein eintöniges Auf und Ab (der Gedanke an das „Sägen“ von Violinschülern lag nahe), aber das geht wohl eher auf das Konto des Bearbeiters Sitkovetsky.
Die drei Musiker sind allesamt Meister ihres Faches, dennoch wurde in diesem Beginn wie auch in einigen der Variationen klar, wie heikel die Intonation in einer so kleinen Streicherformation ist, zumal bei sehr restriktivem Gebrauch des Vibratos. Die Eingewöhnung an die Akustik mag dabei auch eine Rolle gespielt haben. Klangmäßig und dynamisch dominierte in der Aria und den ersten Variationen klar die Violine, trotz bewusst bescheidener Tongebung und Ökonomie in der Bogenführung. Es war aber erfreulich zu beobachten, wie sich Viola und Cello im Laufe des Werks emanzipierten, wie dabei die Musiker zu einem packenden Ensemblespiel fanden.
Der Eindruck von Untertreibung jedoch verflog schon in der ersten Variation: Vorbei die Heiterkeit und gemütliche Einfachheit der Aria; das Tempo zog deutlich an, die Artikulation war mit einem Mal viel klarer, die Musik (schon bei Bach) viel lebendiger. Die meisten der Variationen sind dreistimmig und deshalb für diese Formation ideal geeignet. In zweistimmigen Variationen wie gerade der ersten hat Sitkovetsky Melodielinien teils auf zwei Instrumente verteilt, woraus ein virtuos-neckisches Sich-Zuwerfen von kurzen Motiven resultierte.
In einigen Variationen wird im Original Dreistimmigkeit mit dem Übergreifen der Hände vorgetäuscht. Im Streichtrio lässt sich das zwanglos durch Verteilen der Sprunghand auf zwei Instrumente realisieren; gleichzeitig geht dabei natürlich etwas vom Faszinosum der Tastenvirtuosität verloren. Ganz ähnlich ergeht es schnellen Handwechseln auf einer oder zwei Klaviaturen: Diese sind oftmals im Original so intrikat und eng verwoben, dass selbst flinkste Wechsel zwischen Streichinstrumenten da nicht mitzuhalten vermögen.