Seit ein paar Tagen ist es in aller Munde – die Hamburger Elbphilharmonie, derzeit noch eine der prominentesten Baustellen der Republik, wird am 11. und 12. Januar 2017 definitiv eröffnet. Schon jetzt aber bestimmt die monumentale, an den Kamm einer Welle erinnernde Silhouette des über hundert Meter hohen Gebäudes die Stadtansicht neu und unterstreicht mit diesem maritimen Motiv die Rolle Hamburgs als Hafenstadt.
In etwas anderer Weise ist die prächtige Laeiszhalle von 1908 (in der die bereits stattfindenden Elbphilharmonie Konzerte eine temporäre Heimat gefunden haben) dieser Tradition verpflichtet, wurde ihr Bau doch von der auch heute noch namhaften Reederei Laeisz gefördert und finanziert. Am Abend des 12. Januar 2016, also genau ein Jahr vor der geplanten Eröffnung, gastierte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen im Rahmen der Elbphilharmonie Konzerte als deren Residenzorchester nun noch in dem schmucken, neobarocken Saal. Die Bremer kamen auf ihrer aktuellen Tournee mit dem britischen Dirigenten und Alte-Musik-Spezialisten Trevor Pinnock und der portugiesischen Grande Dame des Piano Maria João Pires.
Bemerkenswert der Programmzettel: Wagners Siegfried Idyll, das Klavierkonzert Nr. 2 von Chopin und zum Abschluss Mozarts Jupiter-Symphonie. Das Idyll – ein Idyll, meisterhaft dargeboten. Die Kammerphilharmonie wurde hier ihrem Ruf bis in die Bogenspitzen gerecht, ein Ensemble von Weltklasse zu sein. Perfektes Zusammenspiel en détail gehörte dabei ebenso zu den Standards wie lupenreine Intonation und leidenschaftliches Engagement. Der den Streichern vorbehaltene Beginn gelang „ruhig bewegt“ im Piano bereits mit betörendem Schmelz, genau wie die von den Bläsern schwerelos hineingeworfenen Vogelrufe.
Das Orchester schien die Musik förmlich zu atmen, selbst kleinste melodische Linien und Schweller erfüllten sie mit solch einem Leben, dass man zuweilen begeistert aufspringen und rufen wollte: „Ja, so ist es, genau so wird Wagner es gemeint haben!“ Die Musiker erzeugten ein Klangprisma, dessen Farbspektrum reichhaltigst den Saal erfüllte und unwillkürlich an den orange-glühenden Sonnenaufgang denken ließ, dessen Impressionen ursächlich mit dem Hintergrund des Werkes zusammenhängen und den Wagner laut Eintragung auf der Partitur-Reinschrift in die Komposition hat einfließen lassen.
Trevor Pinnocks musikalische Sensitivität, sein untrügliches Gespür für die Übergänge sowie sein perfekter Spannungsaufbau bildeten Fundament und Gerüst dieser absolut überzeugenden Darstellung. Auffällig gleichwohl die Vorliebe des Dirigenten, musikalische Konfliktstrukturen (wie sie trotz des vorherrschenden Idyll-Charakters vom Komponisten angelegt worden sind) nicht allzu schroff hervortreten zu lassen. Diese Deutung ist plausibel angesichts der Entstehungsgeschichte des Werkes, denn das aparte Orchesterstück war ein Geschenk von Richard an Cosima zu ihrem ersten Geburtstag als seine Ehefrau am Weihnachtsfest 1870, wo er, nach langen Jahren des Hin und Hers, endlich sein privates Glück verwirklicht sah. Nie hat Wagner eine intimere, persönlichere Musik geschrieben.