Eine Ohrfeige ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Oper – natürlich in erster Linie für Don Pasquale. Bis gerade eben noch hatte die von ihm angehimmelte Sofronia die züchtige Klosterschülerin gemimt. Doch kaum ist der Heiratsvertrag unterzeichnet, verwandelt sie sich in einen Hausdrachen, verbittet sich jede körperliche Annäherung ihres frisch angetrauten Gatten (der nicht weiß, dass der Heiratsvertrag nur fingiert ist), und als dieser zaghaft Einspruch erhebt, wird sie handgreiflich. Donizettis Musik macht deutlich, was das in Don Pasquale bewirkt: Er versteht die Welt nicht mehr, ist unfähig zu singen, kann nur noch stammeln, das Orchester übernimmt das Klagen für ihn.
Diese Ohrfeige ist auch der entscheidende Ausgangspunkt für die Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito. Diese Psychologen unter den Opernregisseuren haben aus dieser Handgreiflichkeit herausgelesen, dass Norina, die sich als Sofronia ausgibt, nicht aus der Welt kommt, in der Don Pasquale sich bewegt. Handgreiflichkeiten sind da undenkbar, auch sein Neffe Ernesto wäre dazu unfähig. Norina kommt nicht gerade aus der Gosse, aber aus einer alles andere als vornehmen Welt. Wenn hier Ana Durlovski in ihrer Auftrittsarie ihre Verführungskünste offenbart, kommt sie in eher ordinärer Kleidung und Pose auf die Bühne, zündet sich eine Zigarette an und zeigt der Welt ihre Verachtung. Wenn diese grandiose Sängerschauspielerin ihre Verführungskünste mit brillanten Koloraturen und zugleich keckem Witz beschreibt, steht bereits die ganze Persönlichkeit vor uns, und wenn diese Norina mit ihrem Kumpanen durchspielt, in welcher Rolle – und das heißt für die Regie auch, in welchem Kostüm – sie den alten Pasquale zähmen soll, macht sie deutlich, dass nicht der alte Herr die tonangebende Figur der Oper ist, sondern sie, die es faustdick hinter den Ohren hat. Entsprechend ist ihr Bruder, der Doktor Malatesta, eher eine Art Strizzi, der sich die Welt so einrichtet, wie sie ihm am besten passt.
Psychologische Fantasie beweist dieses Regieduo auch bei der Titelfigur. Dieser Don Pasquale ist nicht ein typischer Dummkopf der Opera buffa, er ist ein seriöses Mitglied der guten Gesellschaft. Irgendwie muss er ja zu seinem Reichtum gekommen sein, an dem sein Neffe so interessiert ist und von dem Norina schließlich so glorreich profitiert. Seine Welt ist das Büro, von dem aus er sein Unternehmen leitet, und da er nicht immer ein älterer Herr gewesen sein kann, verleiht die Regie ihm eine Vorgeschichte, noch während die Ouvertüre erklingt, die Giuliano Carella spritzig, klar akzentuierte, wie er überhaupt deutlich machte, dass Donizetti viel Szenencharakterisierung im Orchesterpart versteckt hat, auch wenn er gelegentlich dazu neigte, die Sänger zu übertönen.
So zieht zu Beginn die Vorgeschichte als witziger, rhythmisch exakt zur Musik geschnittener Zeichentrickfilm vorüber, und da sehen wir einen jungen Mann der Hippiezeit, der gern mal einen Joint raucht, zur E-Gitarre greift und mit einer Hübschen auf der Harley Davidson durch die Lande zieht, bis ihn sein Vater zur Räson bringt, die Haare kürzt, ihn in einen schwarzen Anzug steckt und an den Schreibtisch setzt, an dem er eben immer noch sitzt. Damit verleiht die Regie dieser Figur eine ungewohnte Tiefe und Ernsthaftigkeit, die den Fall, den er durch Norina erlebt, umso drastischer wirken lässt. Wenn er hört, wie Ernesto im Garten seiner Schönen ein Ständchen singt, ziehen diese Bilder noch einmal vor seinem geistigen Auge vorüber – und es ist kein Wunder, wenn er beim Gesang dieses Ernesto ins Schwelgen gerät, denn Ioan Hotea verfügt über ein schlankes Organ, flexibel mit feiner Höhe, ideal für eine Liebesromanze.