Betrachtet man Antonín Dvořáks Opernliste, findet man zumeist Stücke aus dem romantischen Sagenkreis seiner tschechischen Heimat. Leoš Janáček, nur 13 Jahre jünger als Dvořák, vollzieht in seiner Oper Jenůfa eine Abkehr vom verbreiteten Wagnerianertum und die Hinwendung zu gesellschaftlichen Zwängen der Welt einfacher Menschen. Dort findet er 1904 zu einer neuen Melodik, beobachtet vor allem genau die Sprechweise des Volks, die Musikalität der tschechischen Sprache, erfasst deren Stimmgestus für seine Gesangsszenen. Ihn reizt mehr das Volk in den Dörfern seiner mährischen Umgebung, die von einfachen Lebensverhältnissen und der Scheu geprägt sind, wegen individueller Schwächen ausgegrenzt zu werden. An Traditionen klammert man sich da, oft ohne den Blick auf die Last, die einem Einzelnen dadurch auf die Schultern gelegt wird.
Janáčeks Jenůfa wurde nun in Coburg in einer neuen Inszenierung des ungarischen Regisseurs Balázs Kovalik auf die Bühne des Globe-Theaters gebracht. Dass das Landestheater die Originalversion nach dem Libretto von Gabriela Preissová in tschechischer Landessprache zeigt, verdient Anerkennung. Jenůfa ist schwanger von Števa, doch der will nichts mehr wissen von ihr. Seinen aufbrausenden Halbbruder Laca, der Jenůfa aus Eifersucht eine blutige Wange verpasst hatte, will sie nicht heiraten. Allein bringt sie ihren Jungen zur Welt, liebt ihn innig: „Seit seiner Geburt hat er noch nie geweint.“
Ihre Stiefmutter Buryja, die Küsterin, fürchtet um Jenůfas Ansehen in der dörflichen Gemeinschaft und fasst in ihrer Verzweiflung einen schrecklichen Entschluss: Um ihr eine Zukunft zu ermöglichen, soll das Kind verschwinden. Sie ertränkt es im eisiges Wasser des Flusses und erzählt Jenůfa, das Kind sei während ihrer fiebrigen Erkrankung gestorben: „Es wird vor Gott treten, bevor es von ihm weiß.“ Als Laca ihr erneut den Heiratsantrag macht, wird eine festliche Hochzeit geplant. Doch mitten in die Vorbereitungen platzt die Nachricht, ein totes Kind sei im Wasser gefunden worden. Unter Gewissensbissen bekennt sich die Küsterin zur Tat.
Balázs Kovalik will die Geschichte der jungen Frau, die im Spannungsfeld von gesellschaftlichen Konventionen, familiären Erwartungen und persönlichem Leiden gefangen ist, hautnah an die Zuschauer bringen. Die Bühnenfläche (Angelika Höckner) ist über den verdeckten Orchestergraben dicht an die Parkettreihen gerückt; die Möblierung erscheint mit einigen laublosen Baumgerippen, durchsichtigen Plastikstühlen, Apfelkisten und einem Schlafgemach in durchscheinend großflächig genoppter Luftpolsterfolie seltsam unpersönlich. Der religiöse Einfluss kommt in Gestalt eines kleinen Kirchenmodells am Bühnenrand, mit dem Bauernkinder spielen und dessen krippenartige Figuren im Innern Jenůfa gelegentlich herausnimmt, deutlich geschrumpft daher. Sängerinnen und Sänger treten oft durch die Seitentüren des Parketts auf, agieren anfassbar bereits vor den ersten Reihen. Das groß besetzte Orchester sitzt im eigentlichen Bühnenraum hinter einem durchsichtigen Schleier, um ein intensives Vermischen von Musik, Gesang und Szene zu ermöglichen, das die emotionale Tiefe der Oper unterstreicht.