Der Streit darüber, ob das Galante oder das Gelehrte die Vorherrschaft in der Musik des späten 18. Jahrhunderts genießt, ist im Schaffen Mozarts omnipräsent und wird auch in seiner F-Dur-Klaviersonate, KV 533 ausgetragen. Sie beginnt einstimmig – so als fange eine Fuge an. Doch mit einem solch galanten Thema kann das nicht gelingen! Wenn dann eine kantable Melodie über Begleitfloskeln erklingt, sind wir scheinbar in einem ganz anderen Stück Musik angelangt.
Mit kristallklaren Anschlag brachte Mitsuko Uchida Mozarts Reflexion über die Bedingungen eines Komponierens für Kenner und Liebhaber im Pierre Boulez Saal zu Gehör. Wenn Mozart etwa kleine belanglose Motive im dreifachen Kontrapunkt miteinander kombiniert hat, dann stellte Uchida dieses Missverhältnis von kompositorischem Aufwand und klingender Realität schonungslos heraus. Auch wenn bei Mozart das Ende der Exposition in regelrechtem Leerlauf ausklingt, dann versuchte Uchida nicht, etwas Großes hineinzugeheimnissen, was Mozart auch gar nicht komponiert hat. So auch im langsamen Satz. Da hat Mozart das Thema mit einem Einschub unterbrochen, der in der Durchführung zu einer aberwitzigen Sequenz auswuchert. Uchida ließ verfolgen, wie Mozart sich in ein Labyrinth verirrt hat, aus dem ihn allein die Konvention der Reprise rettet.
Die 33 Veränderungen, die Beethoven auf den von ihm als „Schusterfleck“ verspotteten Walzer Diabellis komponierte, spielte Uchida auswendig. Das von ihr in die Tasten gemeißelte Thema ohne jede Melodie klang zwar zu Recht vulgär, doch vermied Uchida es gekonnt, den Walzer selbst zu parodieren. Denn das hatte Beethoven ja in seinem Riesenwerk zur Genüge getan. Uchida zeigte eindrucksvoll, dass Op. 120 keine Variationenfolge mehr ist, sondern ein kreuz und quer durch die Musikgeschichte galoppierender Ritt, der über manchen Umweg auch in manche Sackgasse führt. Sie scheute vor keiner Grobheit zurück, mit der Beethoven vor allem in den ersten Veränderungen dem Thema regelrecht Gewalt angetan und so zerstampft hat. Uchida hob die Einzelaspekte hervor, die Beethoven dem Thema in den einzelnen Variationen entnommen hat: den Vorschlag, die markanten Tonwiederholungen, die fallende Quarte oder die Oktavgriffe der linken Hand. Doch je mehr sich die Tour de force ihrem Ende zubewegte, desto mildere und gesanglichere Töne kamen zu Gehör: in der Fughetta, in der Air und der Largo-Sarabande wurde das Thema veredelt, beklagt und beweint.