Die Opern Richard Wagners und besonders Der Ring des Nibelungen können am Stuttgarter Opernhaus auf eine lange, die Rezeptionsgeschichte des Rings beeinflussende Tradition zurückblicken. Der letzte Ring, unter anderem mit der Beteiligung von Regisseuren wie Peter Konwitschny und Christof Nel, wird nun durch einen neuen ersetzt – lediglich Siegfried in der Produktion von Jossi Wieler und Sergio Morabito bleibt erhalten. Ob es vorteilhafter oder gar aufschlussreicher ist, wenn ein Ring von der Hand eines einzigen oder gar sechs (!) Regisseur*innen entsteht, wird hier erneut auf die Probe gestellt.
Wagners Rheingold, dem Auftakt seiner monumentalen Ring-Tetralogie, wohnt stets das Versprechen eines Neuanfangs inne. Bei der Stuttgarter Neuproduktion von Stephan Kimmig gewinnt man jedoch den Eindruck, das Rheingold schließt sofort an den vorherigen Ring an. Statt einem Anfang aus dem Nichts heraus bietet er einen Neuanfang an – und zwar aus einer bereits ziemlich kaputten Welt. Die Szenerie ist heruntergekommen, ein verlassener Jahrmarkt oder Zirkus, bevölkert von allerlei fragwürdigen, von der Gesellschaft ausgestoßenen Gestalten. Der Zauber ist längst verflogen, Wotan dem Alkohol verfallen, Fricka hysterisch und auch Freias einstmals makellose Schönheit von einem drogengeplagten Lebenswandel gezeichnet. Auf einem Spielplatz zerbrochener Träume wanken die Figuren in einem omnipräsenten Gruselkabinett der wiederkehrenden Albträume. Auch vom optimistischen Gestaltungswillen und den großen Plänen des Göttervaters fehlt jede Spur – stattdessen erleben wir die Götter in einem Jahrmarkt des Verfalls und einer Welt der gescheiterten Träume.
Aus den Rheintöchtern macht Kimmig drei Schülerinnen, richtig verwöhnte Rotzgören, die Alberich mit dem Geld ihres Vaters locken wollen. Ein Plan, der bekanntermaßen schiefgeht. Von den Mädchen abgewiesen und verhöhnt kastriert sich Alberich mit zwei Goldbarren selbst – eines der starken Bilder der Inszenierung.
Neben den eklektischen Kostümen der Sänger*innen erscheinen die Riesen, wie Frankensteins Monster aussehend, auf Gabelstaplern, Donner und Froh kommen auf Gokarts angedüst und vor den großen Videoprojektionen im Hintergrund bieten zwei Trapez-Artistinnen ihre Künste dar. So wird es auf der Bühne zumindest nicht langweilig und die wenn auch grotesk ausgeführte Zirkusthematik schwingt immer mit.
Kimmigs Produktion bewegt sich zwischen gezielter Deutungsverweigerung und szenischer überbordender Überforderung. Er hat einige Ideen, will jedoch zu viel und bietet alles gleichzeitig an. Seine doch recht interessanten, nicht von der Hand zu weisenden Deutungen kann er nicht mit den ihnen gebührenden Tiefgang visuell umsetzen. Es zeigt zu viel der altbekannten Bilder, die man schon bei unzähligen Rheingold- und Ring-Inszenierungen gesehen hat – wie etwa Mime oder Alberich als Clown oder Erda und die Rheintöchter als Öko-Aktivistinnen. Auch seine Personenregie ist detailliert, aber einige Charaktere in ihrer Darstellung widersprüchlich, sodass ihr Agieren ins Leere läuft – zu ungenau sind ihre Intentionen und die Motivation ihres Handelns. Es wird viel angeboten, doch man fragt sich, wozu?