What sweeter music, welch süßere Musik könnten sie noch bringen als Weihnachtslieder, singend die Geburt des himmlischen Königs zu feiern! John Rutters festlicher Chorgesang war Motto und einer der eindringlichen Höhepunkte des Adventskonzerts mit Hymnen und Liedern unterschiedlichster Herkunft, das der Chor der Westminster Abbey im Rahmen der Online-Chorkonzerte Live from London vor fast 1000 Musikfreunden weltweit aufführte. Rutter hatte diese Motette 1988 für das King's College Cambridge geschrieben, dessen Gottesdienst am Weihnachtsabend zelebriert und jedes Jahr am Radio verfolgt werden kann. Bekannt Traditionelles sowie aufregend Neues mischte nun der Choir of Westminster Abbey, wiederum inspiriert von Elementen seines traditionellen abendlichen Christmas-Gottesdienstes Lessons and Carols.
Im Halbkreis verteilt und gewandet in hellrote Mönchsroben und weiße Halskrausen sechzehn Knaben und zwölf Männerstimmen, die als Vorsänger John Sheppard's Verbum caro factum est anstimmten: Wort und Menschwerdung Christi, eine wichtige theologische Klammer, wie einstimmig eindringlicher Cantus und komplexer polyphoner Renaissance-Klangteppich vor der Krippe im Altarraum der Abteikirche. Ein weiterer zauberhafter Moment, wenn in der Dämmerung die klare Stimme eines einzelnen Knabensoprans eines der berühmtesten wie berührendsten Weihnachtslieder der Insel anstimmte: Once in Royal David’s City, 1848 vom Londoner Organisten Henry John Gauntlett für Chorstimmen gesetzt und fast überall der Beginn dieser Weihnachts-Zeremonie. Langsam anschwellend baute sich der Gesang auf, immer mehr verästelt in variierender Kontrapunktik; Orgelfanfaren traten hinzu, in immer festlicherer Größe bis zum prunkvollen Schlussakkord.
James O’Donnell leitete die Chorgruppen umsichtig, mit sparsamer Gestik, doch energiereichen Impulsen. Es war bewundernswert, wie die verschiedenen musikalischen Epochen zusammenwuchsen, und faszinierend immer wieder, wenn die einfache Strophenform in mitreißende und aufregend mehrstimmige Diskantgesänge über der Melodie mündete. Da gelangen Zuversicht, Freude, Glaubensüberzeugung in eminent plastischem Chorklang, sangen sich die Westminster-Knaben in die vordere Reihe internationaler Knabenchöre. Schade darum, dass Stille Nacht nur wenig von der sich zurücknehmenden Grundstimmung, ja Einsamkeit in der Komposition widerspiegelte, Poulencs O magnum mysterium mehr affirmativ als geheimnisvoll herüberkam. Peter Holder bereitete an der Orgel den sicheren harmonischen Grund, zudem eine spannende orchestrale Vielfalt gerade bei den zeitgenössischen Werken des Abend.