Es ist ein Erlebnis, Klaus Mäkelä beim Dirigieren zuzuschauen. Er schlägt den Takt präzise und entspannt, schaut seine Musiker fordernd und aufmunternd an und gibt elegante und effektive Einsätze. Mit seiner ausdrucksstarken Mimik schlägt er Zuschauer wie Musiker gleichermaßen in seinen Bann – man fühlt sich selbst am Bildschirm von ihm hypnotisiert. Das Programm mit dem Concertgebouworkest war seinem jugendlichen Temperament auf den Leib geschnitten, die neuerliche Zusammenarbeit führte auch diesmal zu einem besonderen Konzertereignis.
Mit Olivier Messiaens eindringlichem Les offrandes oubliées (Die vergessenen Opfer, 1930) dirigierte Mäkelä ein Werk aus der Studienzeit des zutiefst gläubigen Messiaen. In Paris uraufgeführt war diese Méditation symphonique, sein erstes öffentlich gespieltes Orchesterwerk. Der erste Satz Très lent (douloureux, profondément triste), Das Kreuz, ist in Messiaens eigenen Worten „eine Klage der Streicher [...], von tiefen grauen und malvenfarbigen Seufzern zerschnitten“. Es folgt explosiv nach dieser Oase der Ruhe der zweite Satz Vif (féroce, désesperée, haletant), Die Sünde,: „Ein Lauf in den Abgrund, in einer nahezu mechanisierten Geschwindigkeit.“ Mäkelä peitschte das virtuos aufspielende KCO hin zu einem ekstatischen Höhepunkt und auch die anschließende Entspannung geriet überzeugend. Der letzte Satz Extrêmement lent (avec un grande pitié et un grand amour), Die Eucharistie, gehörte den Geigen und Bratschen, die einen warm schimmernden Teppich ausbreiten: „Rot-, gold-, blaugetönt (gleich einem fernen Kirchenfenster) [...] Die Sünde ist die Gottvergessenheit. Das Kreuz und die Eucharistie sind die göttlichen Opfer.“
Es war, als würde diese atmosphärisch dicht gewebte Musik schweben und Messiaens freie Tonalität erinnerte hie und da an seine Orgelwerke. Dieser frühe, nichts desto trotz aber ungemein suggestive Messiaen war bei Mäkelä und dem KCO in den besten Händen.
Dmitri Schostakowitschs Werke muss man im Konzertsaal hören. Seine bisweilen gewalttätig laute, und immer tragisch-traurige Musik geht oft bis an die Schmerzgrenze. Eingebettet in das mit Gleichgestimmten geteilte Erlebnis einer Konzertaufführung ist das selten ein Problem. Zuhause, allein vor dem Bildschirm dagegen wird damit das Durchhaltevermögen auf die Probe gestellt. Die 50 Minuten dauernde Zehnte Symphonie ist düster und zum dunklen Klangbild kommt ein skeptisch-sarkastischer Ton, der Widerstand gegen diese niederdrückende Stimmung wachruft. An manchen Stellen ändert Schostakowitsch plötzlich den resignativen Ton seiner Symphonie. Urplötzlich brauen sich gewaltige rhythmische Energien wie zum Trotze auf. Die aufrührerische Stimmung bricht jedoch niemals ins Jubelnde durch. Natalja Lukjanowa spricht in ihrer Schostakowitsch-Biografie davon, dass die Zehnte etwas von einer „Tragödie” und einer „Beichte” an sich habe. Sie ist wohl aber vor allem das Zeugnis eines Komponisten, der in der Stalin-Ära ein ums andere Mal sehr real um sein Leben fürchten musste.