Das Weihnachtsoratorium BWV 248 von Johann Sebastian Bach ist rund um den Globus der wohl verlässlichste Bestandteil des vorweihnachtlichen Konzertkalenders. So gibt es auch in München alljährlich mehrere Aufführungen dieses großartigen Kantatenzyklus' und man kann sich den Aufführungsort, das Ensemble und den Aufführungsstil je nach persönlicher Vorliebe aussuchen.
Während in der Philharmonie der Saalgröße angemessen eine Aufführung mit großer Besetzung geboten wird, fand am 22.12. im intimeren Herkulessaal eine ganz der reinen historischen Aufführungspraxis verpflichtete Darbietung der Kantaten I-III und VI mit dem Barockorchester L'arpa festante und den Arcis-Vokalisten unter der Leitung von Thomas Gropper statt. Gropper, selbst ein hervorragender und gefeierter Bariton in den Bereichen Lied- und Oratoriengesang, gründete und leitet seit 2005 den Kammerchor „Arcis-Vokalisten München“ mit großem Erfolg und einem Schwerpunkt auf a-capella-Literatur und Oratorien.Mit L'arpa festante hatte er einen der traditionsreichsten Originalklangkörper an die Seite seines Chors gestellt. Bereits 1983 wurde das Barockorchester in München von Michi Gaigg gegründet und hat sich seitdem einen festen Platz in nationalen und internationalen Originalklang-Aufführungen erspielt. Je nachdem, wann das Werk entstanden ist, verwenden die Musiker entsprechende Originalinstrumente aus der jeweiligen Zeit und gehen damit in ihrem dogmatischen Anspruch an originalgetreue Aufführungspraxis deutlich weiter als die meisten Vertreter der sogenannten historischen Aufführungspraxis.
Die Musiker harmonierten von Beginn an ausgezeichnet und der Chor nahm sich trotz seiner rund 50 Sängerinnen und Sänger immer dann zurück, wenn dies im Zusammenspiel mit dem Orchester aufgrund des fehlenden Klangvolumens der historischen Instrumente notwendig war. Wenn man das Weihnachtsoratorium schon hunderte Male in unterschiedlichen Interpretationen gehört hat, wünschte man sich freilich beim einleitenden „Jauchzet, frohlocket“ ein wenig mehr feierlich-überwältigenden Klangrausch, und auch zu Beginn der zweiten Kantate war die pastorale Hirtenmusik der Oboen auf den originalen Instrumenten ein wenig blass und kernlos, aber das ist nun einmal der Preis der kompromisslos originalgetreuen Wiedergabe alter Musik.
Auf der anderen Seite hatte man die Arien, Rezitative, Chöre und Choräle kaum je luftig-transparenter und feingliedrig in seine Einzelstimmen und kontrapunktischen Verflechtungen aufgefächerter wahrgenommen als in dieser Münchner Aufführung. Nach all der Erdenschwere im täglichen Leben der Leipziger Bevölkerung der Jahre 1734/35 konnte man sich vorstellen, welchen Eindruck der elysäische Klang der Schalmeien, Zinken und Theorben umrahmt von obertonreichen Naturtrompeten auf die Kirchgänger anlässlich der Ur-Aufführungen der sechs Kantaten an den sechs Weihnachtsfeiertagen gehabt haben musste. Wahrlich Balsam für die geschundene Seele!