Beim Blick auf das Programm, das Yundi Li am 11.4. im Münchner Herkulessaal darbot, kamen Zweifel auf, ob dieser Abend gelingen würde. Um es vorwegzunehmen, er gelang im Großen und Ganzen, trotz der scheinbar recht wahllos nebeneinandergestellten Stücke. Geht man heute in Ausstellungen bildender Kunst, dann kann man sicher sein, dass die Konzeption der Ausstellung durch professionelle Kuratoren vorbereitet wurde, inklusive der Hängung der Bilder, also der Art und Weise und der Reihenfolge, in der die Kunstwerke präsentiert werden. Nach dem Konzert des chinesischen Star-Pianisten fühlte man sich alleingelassen und hatte das seltsame Gefühl, es fehlte noch etwas, um den Abend abzurunden.
Doch der Reihe nach: Yundi begann seinen Klavierabend mit Robert Schumanns Fantasie in C-Dur op. 17. Der junge Pianist tat sich von Anfang an hörbar schwer, die nötige Konzentration zu finden, die dieses vertrackte und stellenweise recht sperrige Stück erfordert, was nicht zuletzt an der nervösen Unruhe im Publikum lag. Die 1839 veröffentlichte Klavierfantasie gehört zu den wichtigsten Werken Schumanns und ist in ihrem monumentalen und programmatischen Charakter mit den Kreisleriana vergleichbar, die ein Jahr zuvor erschienen waren. Im Gegensatz zu den etwa gleichzeitig komponierten Kinderszenen erbaut Schumann in den Kreisleriana, doch noch viel mehr in der C-Dur-Fantasie Klanggebäude, die man nur dann versteht, wenn es der Interpret vermag, neben der horizontalen Fortentwicklung von Phrasen und Melodien auch vertikale Klangräume zu schaffen. Dies gelang Yundi leider nur teilweise. Wo beispielsweise Arkadi Volodos oftmals zu sehr den Klängen hinterherhorcht und darüber die Entwicklung musikalischer Bögen vergisst, war es bei Yundi genau andersherum. Er stellte perfekt abgerundete Phrasen nebeneinander, die in sich schön anzuhören waren.
Schumann widmete seine Klavierfantasie Franz Liszt, was wohl die Wahl des nächsten Stückes beeinflusste. Yundi spielte die Tarantella von Franz Liszt in ähnlicher Weise wie zuvor die Fantasie als Aneinanderreihung perfekt ausgefeilter musikalischer Phrasen. Hier hätte man sich mehr verruchte Virtuosität gewünscht. Wie ihr Vorbild, der ekstatische, aus Süditalien stammende Volkstanz, lebt die Tarantella von der aberwitzigen, fast trancehaften Wiederholung und letztlich der Übersteigerung kurzer musikalischer Motive. Yundi spielte die Repetitionen und enorm schwierigen Oktavläufe meisterlich. Dem ganzen Stück jedoch fehlte ein abgeschlossener Rahmen, und so schienen die Zuhörer fast überrascht, als Yundi sich nach etwas verhaltenem Applaus bereits in die Pause verabschiedete.