Béla Bartók (1881-1945) und ich kennen uns schon ziemlich lange... seit wir gemeinsam den Atlantik überquert haben. Und bevor Sie sich wundern, wie jung ich für einen Neunzigjährigen aussehe, sollte ich eines klären: er war zu dieser Zeit bereits 43 Jahre tot! Der Komponist floh während des Zweiten Weltkriegs aus seiner Heimat Ungarn und emigrierte 1940 widerwillig in die Vereinigten Staaten. Dort starb er fünf Jahre später und wurde in New York begraben.
Als der Kommunismus in Osteuropa in den späten 1980ern zerfiel, beantragte die ungarische Regierung die Rückführung von Bartóks Gebeinen. Im Juni 1988 wurde ein Sarg, gehüllt in die rot-weiß-grüne Landesflagge, an Bord des berühmten Ozeandampfers Queen Elizabeth 2 gebracht, mit einer grandiosen Zeremonie für eine einmalige Reise über den Atlantik. Unter den Passagieren war auch ich, als Teenager (mein Vater war der Kabinenchef und wir waren mit ihm auf Familienurlaub). Damals wusste ich nicht viel über Bartók, nur, dass meine Mutter mich vor seiner Musik gewarnt hatte – und auch vor der Schostakowitschs und Prokofjews – die sie als „schwierig“ beschrieb. Auf der Rückreise nach Southampton aber gab es ein Kammerkonzert, und das weckte meine Neugier.
Konzert für Orchester
Eines der ersten Stücke, die ich von Bartók kennenlernte, war eines seiner letzten. Das Konzert für Orchester entstand 1943 für Serge Koussevitzky und das Boston Symphony Orchestra. Die meisten Konzerte sind für einen einzigen, virtuosen Solisten geschrieben, doch Bartók richtet das Scheinwerferlicht weiter aus und lässt das gesamte Orchester glänzen. Im behänden zweiten Satz Spiel der Paare erklingen Fagotte, Oboe, Klarinette, Flöten und gedämpfte Trompeten in heiteren Duos.
Mikrokosmos
Das erste Bartók-Werk, das ich selbst mit meinem Lehrer spielte, waren ein paar einfache Klarinettenduos in Parallelbewegung, die auf seinem Mikrokosmos basierten, einer Serie von 153, sich im Anspruch steigernden Klavierstücken. Bartók widmete die ersten beiden Bücher seinem Sohn, Peter, wohingegen Bücher 5 und 6 auf professionellem Level agieren. 1940 arrangierte der Komponist sieben davon für Klavierduett, um sie mit seiner Frau, Ditta Pásztory-Bartók, zu spielen. Wir könnten die gesamten zweieinhalb Stunden der sechs Bücher durchhören, doch hier sind stattdessen diese sieben Duette!
Rumänische Volkstänze
Bartók war passionierter Sammler von Volksmusik, die er mit einem Phonographen aufnahm. Er war in vielerlei Hinsicht einer der ersten Musikethnologen. Ich lernte den ersten seiner Rumänischen Volkstänze (den Stabtanz) als eines meiner Grade 5*-Prüfungsstücke (*standardisiertes, achtstufiges Prüfungssystem in Großbritannien für Instrumentalspiel, Gesang, Performance, Dirigieren und Lehre – Anm. der Übersetzerin). Aber war Bartók nicht Ungar? Die 1915 verfasste Partitur basiert auf Volkstänzen aus Transsylvanien (zu der Zeit ungarisch), doch Bartók änderte den Titel ab, als Transsylvanien 1920 Teil von Rumänien wurde. Ursprünglich für Klavier konzipiert, später orchestriert, funktionieren die Tänze meiner Meinung nach am besten in Zoltán Székelys Arrangement für Violine und Klavier. Darin wird das erdige Folkloregefühl wirklich transportiert, besonders im verrückten Finale Mărunțel (dem sich meine Finger nie wirklich fügen wollten!).
Ungarische Skizzen
Volksmusik inspirierte auch Bartóks Suite der Bilder aus Ungarn, wobei nur der letzte Satz – der Üröger Hirtentanz – auf einer tatsächlichen Volksmelodie gründet. Doch hier assimiliert Bartók das Folklore-Feeling in seiner Musik, die zudem reichlich Humor zeigt, vor allem in Bärentanz (Nr.2) und Etwas Angeheitert (Nr.4) mit seinen unsteten Schritten und Akzenten auf unbetonten Zählzeiten... vielleicht ein Glas Tokajer zu viel?!