„Große Musik ist das Ergebnis intensiven Hörens. Jedes Orchestermitglied muss sehr genau der Stimme des Komponisten wie auch seinen Mitspielern zuhören.” Daniel Barenboims Vision, ein neues Publikum zu begeistern, war der treibende Faktor hinter der Gründung des Pierre Boulez Saals, Berlins neuestem Konzertsaal, der nun seine zweite volle Saison eröffnet. Er wurde von Frank Gehry entworfen und ist Teil des Gebäudes, das in der Nachkriegszeit als Depot der Staatsoper Berlin diente. Sowohl Gehry als auch der Akustiker Yasuhisa Toyota wurden für das Design des neuen Saals gewonnen, und sie entwarfen einen elliptischen Kammermusiksaal, in dem das Publikum „im Kreis” sitzt. Das ist Teil von Barenboims Vision, den Saal als „Denkendes Ohr” zu fördern, in dem das Publikum ermutigt wird, „aktiv zuzuhören”, an einem Ort, wo zeitgenössische Musik aufblüht.
Die Saison 2018/19 beginnt mit einer Boulez-Biennale, ein Festival in Partnerschaft mit der Philharmonie de Paris und dem Musikfest Berlin, um unterschiedliche Aspekte Boulez’ Œuvres zu beleuchten. Zwei Programme verbinden Klassiker Boulez’ mit Werken von Mitgliedern der Zweiten Wiener Schule, für die sich Boulez als Dirigent einsetzte. Das Pariser Ensemble Intercontemporain spielt Le marteau sans maître neben Bergs Vier Stücken für Klarinette und Klavier, während Berlins neues Boulez Ensemble, eine neue flexible Gruppe bestehend aus Mitgliedern des West-Eastern Divan Orchesters, Sur incises und Weberns Streichquartett aufführen.
Natürlich ist Barenboim im Mittelpunkt des kreativen Schaffens des Saals; er erscheint als Pianist, Kammermusiker, Dirigent und Mentor. Innerhalb der kommenden zwei Saisonen spielt er einen Beethoven-Zyklus der Klaviersonaten. Die vier Klavierabende beinhalten Lieblinge wie „Mondschein” und Waldstein”, sowie den Everest dieses Repertoires, die mächtige „Hammerklavier”-Sonata. Barenboims Beziehung zu diesen Werken reicht Jahrzehnte zurück, und doch führen seine Interpretationen immer auf neuen Wegen durch die Partitur. Barenboim tut sich ebenfalls mit seinem Sohn, dem Geiger Michael Barenboim, und dem Cellisten Kian Soltani für zwei Programme von Mozarts Klaviertrios zusammen, ein weiterer Komponist, der ihm am Herzen liegt.
Der Dirigent Barenboim leitet in der kommenden Spielzeit zwei Premieren: ein neues Werk von Matthias Pintscher, bis jetzt ohne Titel, und Labyrinth IV von Jörg Widmann, in einem Programm mit dem Titel „Europa: Mythos und Vision”. Griechenlands Rolle als Geburtsort der Demokratie wird durch einen Fokus auf griechische Mythologie und Musik von Nikos Skalkottas beleuchtet.