Der Sommer ist bekannterweise die Zeit der Festivals, und hier wandern die Gedanken unwillkürlich zu Zelten, Matsch und Musik. Doch sie sollten auch an den Tanzfestivals nicht vorbeiziehen. Früher als Ruhepause betrachtet, in der alle Häuser schließen, könnte man nun im Sommer quer durch Europa reisen auf den Spuren von großen und kleinen Tanzveranstaltungen. In Berlin beispielsweise findet in den nächsten drei Wochen zum 27. Mal das internationale 'Tanz im August'-Festival statt. Das äußerst vielseitige Programm bietet Uraufführungen, Rekonstruktionen und eine Retrospektive von bekannten wie auch neuen regionalen und internationalen Künstlern. Und welch besseren Start ins Festival könnte es geben als ein ausverkauftes Haus für die Eröffnungsveranstaltung von John Adams, Lucinda Childs und Frank O. Gehry?
Das Foyer war voll von aufgeregten Tanzliebhabern, Forschern, Architekten, Designern und Freunden experimenteller Musik. Dieses bunt gemischte Publikum ist bei dem Kaliber der mehrfach ausgezeichneten Kollaborateure kaum verwunderlich: Diese Produktion verbindet die klar minimalistische Bewegungskomplexität von Childs (Obie Award), das städtisch-futuristische Bühnenbild von Gehry (Pritzker Architekturpreis), das die Bühne in zwei Ebenen teilt, und die leicht befremdliche Kollage von Synthesizer und Blechbläserklängen von Adams (Grammy Award). Childs' Stücke sind oft kollaborativer Natur (Einstein on the Beach 1973 mit Philip Glass und Robert Wilson ist ihr bekanntestes Werk).
Ursprünglich ein Auftragswerg des Museums für Zeitgenössische Kunst in Los Angeles (1983), fesselt Available Light's minimalistische Ästhetik noch heute, auch trotz kleinen Veränderungen in Bühnen- und Kostümgestaltung. Als Ballerina, die sich nicht scheute, auch mit modernem und postmodernem Tanz zu experimentieren, kam Childs über Yvonne Rainer (die sie im Cunningham-Studio kennenlernte) ans Judson Dance Theatre. Dort verlor sie jedoch ihr Interesse für das Ballet nicht, und beide Strömungen sind deutlich in ihrem Stil erkennbar. Dieses Werk ist beispielhaft für Childs' Schritt von dem für das Judson typischen Konzeptualismus hin zum Minimalismus.
Zu Beginn des Tanzes stehen die Tänzer mit dem Rücken zu uns blau beleuchtet in einem Gang unter der oberen Bühnenebene. Auch wegen der Gitteroberflächen und Käfige erinnert die Szene an Rob Marshalls Musicalfilm Chicago (2002). Doch anstelle von geschmeidigen Bewegungen zeigen die Tänzer etwas eher Aliengleiches, als sie langsam und starr auf die Bühne gehen. Adams' Musik trägt zu diesem Effekt bei und erinnert mich an den Soundtrack von Ridley Scotts Film. Als absolute Fremde in weißen, roten und schwarzen Kostümen ohne erkennbares inneres Drama führen die Tänzer engelsgleiche Bewegungen in Diagonalen aus. Wie eine mechanische Uhr setzen sie eine feste Zahl an Schrittfolgen um. Echos der Bewegung durchqueren wie Wellen die beiden Ebenen der Bühne und erzeugen Verzögerungen, als würde eine Welle, die an einen Stein schlägt, zurückgeworfen. Das Paar in Weiß auf der oberen Ebene erinnerte mich auf gewisse Weise an George Ballantines Apollo, auch wegen des diagonalen Schnitts der Kostüme. Die Struktur des Tanzes, zwei Teile mit mehreren Abschnitten, die von Blackouts und Wendung hin zu roter Beleuchtug angezeigt werden, hilft nicht dabei, das Rätsel des Tanzes zu lösen. Die roten Sequenzen erinnerten mich vielmehr an die Gefahrenszenen auf dem Raumschiff der Aliens, wenn es nur von den Warnleuchten erhellt wird.