Ratten: sie sind, wofür Hans Neuenfels' Inszenierung von Lohengrin lange in Erinnerung bleiben wird. Diese Spielzeit wird die letzte ein, in der seine phantasievolle Überarbeitung von Wagners letzter romantischer Oper in Bayreuth gezeigt wird, eine Inszenierung, die dort 2010 Premiere feierte. Selbst heute gibt es wenig Übereinstimmung darüber, was genau die Laborszenerie bedeutet, oder warum der Chor mal in Gestalt von Ratten, mal in Gestalt von verschiedenen Ratte-Mensch-Hybriden und letztlich als Menschen mit futuristisch rasiertem Haupt auftreten soll. Wie alles beste Theater provozierte sie einen Aufruhr von Spekulationen, und wie jede gute Opernbühne lenkte sie nicht vom Gesang ab. Aus musikalischer Sicht waren Klaus Florian Vogt in der Titelrolle und Petra Lang als Ortrud die Stars, doch jeder, von Samuel Youns Herrufer angefangen, war stimmlich in Topform. Das Orchester wurde gekonnt geleitet von Alain Altinoglu, und der Chor war durchgehend besonders beeindruckend.
Nachdem die ätherischen Streicher begonnen hatten, im Vorspiel aus der Stratosphäre herabzusteigen, hob sich der Vorhang und zeigte einen Mann (der bald als Lohengrin erkenntlich wurde), der vergeblich versuchte, die Flügeltür in der hinteren Wand zu öffnen – etwas, das ihm nur ganz am Ende gelang. In der Zwischenzeit schoben seine Mühen die Wand zusehends über die Bühne, die den Blick auf eine Reihe eiserner Gitter entlang der Flügel freigab. Mit dem eigentlichen Beginn des ersten Aufzugs strömten die Ratten daraus hervor und in den steril weiß beleuchteten Raum, eine jede individuell nummeriert. Ob in Fellkostümen oder nachdem diese abgestreift waren und gelbe Anzüge freilegten (die Rattenköpfe aber blieben), so suggerierten die Sänger des Chores doch nie völkische Macht, in Übereinstimmung mit Neuenfels' Überzeugung, dass die Chornummern nicht martialische Pantomime oder faschistisches Hass-Schüren sind. Der Bann wurde selbst vom „Sieg! Heil“ am Ende des Aufzuges genommen. Auch war König Heinrich nicht der weise Überherrscher traditioneller Produktionen: der verlässliche Wilhelm Schwinghammer machte ihn zu einem nervösen König der Wahnsinnigen, der sich vor Schatten erschreckt, als wäre er auf einem schlechten Trip.
Die Beziehungen zwischen den vier Protagonisten blieben weitgehend intakt, wenngleich es viele szenische Erfindungen darin gab, wie sie präsentiert wurden. Friedrichs eidbrüchige Erzählung wurde von animierten Videos einer Rattenversion seiner Geschichte mit dem Titel „Wahrheit 1“ begleitet. Elsa trat von Pfeilen durchbohrt auf und trug den „In lichter Waffen“-Teil ihres Monologs bäuchlings auf der Bühne liegend vor. Annette Dasch besitzt nicht die durchschlagendste Stimme, doch sie war jederzeit bequem hörbar, ohne angestrengt zu sein. Lohengrins Ankunft als ihr Held kann ein äußerst kitschiger Moment sein, doch anstatt vom Schwan gezogen zu werden, ging er hier einer Begräbnisprozession voraus, in der der Schwan in einem Mini-Boot von Ratten in die Höhe gehalten wurde. Klaus Florian Vogts eröffnende Anrede „Mein lieber Schwan“ war wundersam zurückgehalten – es gelang ihm, wie ein lyrischer Tenor zu klingen, bevor er später seinen bekannten, formidablen Heldentenor ertönen ließ. Sein Kampf mit Friedrich wurde von einem weiteren Rattenfilm begleitet, und die abschließende Freude wurde mit dem nun federlosen Schwan konterkariert, der aus dem Schnürboden herabgelassen wurde.