Die aktuellen Krisen – Griechenland im Sommer und jetzt die Flüchtlingskrise – haben Deutschland in eine politische und ökonomische Führungsposition in Europa gebracht. Die Premiere von Andrea Moses' Neuinszenierung der Meistersinger an der Staatsoper Berlin fand (teilweise) am Tag der Deutschen Einheit statt, um der Wiedervereinigung von Ost und West am 3. Oktober 1990 zu gedenken. Moses verlegt die Handlung vom Nürnberg des 16. Jahrhunderts nach Berlin im Hier und Heute. Die Multikulturalität und die Konflikte der Stadt werden geschickt in einem musikalischen Drama eingeschlossen, das die Tradition ehrt und doch zu Innovation ermutigt.
Es war ein Geniestreich, fünf alte Hasen als Meister der Gilde (hier der Handelskammer) zu engagieren: Graham Clark, Siegfried Jerusalem, Reiner Goldberg, Franz Mazura (in seinem 91. Jahr) und Olaf Bär. Jeder von ihnen hatte nur wenige Zeilen zu äußern, doch sie hatten sichtlich Spaß daran, die Rollen der alten, griesgrämigen Meister zu spielen und ehrten so die alten „Meister,“ indem sie sie zurückbrachten. Das zentrale Thema der Oper, die Tradition in der Kunst zu wahren, sie jedoch neu zu gestalten, wurde darin brillant umgesetzt.
Jan Pappelbaums Bühnenbild beinhaltete Bankreihen in einem Zimmer mit hölzernen Wänden, in dem die Meister und der Chor herumliefen. Als das Vorspiel begann, setzten sich alle auf die Bänke, dem Publikum zugewandt. Gegen ende der Ouvertüre erhoben sie sich und drehten sich zur Rückseite der Bühne um, wo ein Priester den Vorsitz führte, um den Choral zu singen. Das Zimmer öffnete sich später und gab den Blick frei auf zwei Ebenen und schien zum Konferenzraum zu werden, in dem die Namen der Meister auf großen, weißen Pappkartons wie Firmenlogos gezeigt wurden.
Die Prügelszene des zweiten Aktes ist wahrscheinlich am schwierigsten auf die Bühne zu bringen und fand auf dem Dach eines Gebäudes statt neben Sachs- und Pogner-Leuchtschildern. Beckmesser, für sein Ständchen im historischen Gewand gekleidet, wurde von einer Gruppe junger Schelme verdroschen, doch zu der Bande stoßen bald weitere Menschen hinzu, die die verschiedenen Fraktionen und Interessen im modernen Berlin repräsentierten, einschließlich seine beiden Fußballmannschaften. Das dargestellte Chaos wurde das des heutigen Berlins, vielleicht mit zu viel Gewicht auf Stereotypen, aber nichtsdestotrotz wirkungsvoll.
Sachsens Schreibstube im dritten Akt war mit einem hohen Bücherregal und einem Gemälde alter Meister ausgestattet. Nach einem kurzen Szenenwechsel im Zwischenspiel versammelte sich die Menge vor dem Bild des Berliner Stadtschlosses, der derzeit saniert wird, um mit den roten, schwarzen und goldenen Ballons zu feiern. Eine große Deutschlandflagge war allgegenwärtig in dieser Produktion, markant an der Bühnenseite, und während des Quintetts des dritten Aktes begannen die Sänger, indem die sich an der Flagge festhielten, dann aber nach und nach losließen, als ob die Geburt eines neuen Liedes gleichgesetzt würde mit dem Ablegen von nationalen Grenzen. Das alte Deutschland wurde eindeutig abgelehnt, als Sachs am Ende seiner Ansprache bedeutete, das Bild des Schlosses zu heben, was den Blick freigab auf eine grüne Wiese. Am Ende sitzen Sachs und Walther auf dem Podium, dem Publikum den Rücken zugewandt, dass zusammen mit der Menge an ihnen vorbeischaute.