Diese letzte Neuproduktion der Saison an der Staatsoper Berlin wurde mit besonderer Spannung erwartet: Nicht nur, dass Daniel Barenboim dieses Stück noch nie dirigiert hat, es war auch das Operndebüt des international gefeierten Filmregisseurs Wim Wenders. Was wird er aus der relativ unbekannten Oper, Les Pêcheurs de perles, machen? Wim Wenders hatte in den späten 1970ern die beiden berühmten Arien auf einer Jukebox in einer Bar in San Francisco gehört. Als Barenboim ihn einlud, eine Oper zu inszenieren, schlug Wenders Die Perlenfischer vor. Da auch Barenboim dieses Werk noch nie zuvor gemacht hatte, ließ er sich gleich eine Partitur kommen, las und summte die Melodien als er die Seiten drehte und stimmte dieser Auswahl zu. Beide waren mit dem Ergebnis nach der Premiere sichtbar zufrieden.
Die Handlung ist ein klassisches Liebesdreieck, das sich mit Freundschaft, Liebe, Eifersucht und Vergebung beschäftigt. In einem Fischerdorf wartet das Volk auf die Tempelpriesterin Leïla, die herbeigerufen wurde, um den Gnade der Götter für eine reichhaltige Perlenfischsaison herbeizurufen. Zurga, der Dorfoberste, freut sich sehr, als sein Jugendfreund Nadir nach langer Abwesenheit im Hochland zurückkehrt. In einem der berühmtesten Duette im gesamten Opernrepertoire, "Au fond du temple saint", erinnern sie sich an eine Wallfahrt, wo sie einer mysteriösen, schönen Frau begegneten und sich beide in sie verliebten. Sie erneuern ihr Freundschaftsgelübde. Als Leïla endlich ankommt, geführt von dem Dorfältesten Nourabad, erkennen die Freunde in ihr die gleiche Schöne. In dieser Nacht ist Leïla allein am Strand gelassen, doch zuvor wird sie von Nourabad an ihr Keuschheitsgelübde erinnert. Nadir kommt und sie singen von ihrer Liebe. Nourabad taucht urplötzlich auf und sie werden zum Tode verurteilt. Aber bevor die Hinrichtung stattfinden kann, erkennt Zurga in Leïla seine ehemaligen Retterin, als er vor Jahren auf der Flucht war. Nun ist er an der Reihe, die beiden Menschen, die er am meisten liebt, zu retten, indem er im Dorf zur Ablenkung ein Feuer legt. Nadir und Leïla können entkommen.
Wenders und sein Bühnenbildner David Regehr entschieden sich für eine leere, leicht schräge Bühnenfläche. Bauschige, bodenlange, graue Seidenvorhänge simulieren Wellen, Wind und Schutz zugleich. Breitwand-Videoclips in schwarz-weißer Stummfilm-Ästhetik geben dem Drama dreidimensionalität und illustrieren die Rückblenden der Geschichte – die Pilgerfahrt der beiden Freunde, die Begegnung mit der unbekannten Schönen, die Rettung der verfolgten Zurga durch Leïla. Immer wieder symbolisieren die rollenden Wellen des Ozeans die Götter, die besänftigt werden müssen. Olaf Freeses Lichtdesign ist ein integraler Bestandteil der minimalistischen und intimen Atmosphäre. Mal prallen helle Scheinwerfer auf die Liebenden, mal erleuchten Nebelstreifen dünne Wolken.