Stuart Skeltons Peter Grimes ist von Beginn an so sehr seelisch zerrüttet, dass die Oper eher an eine psychotische Episode als an eine Geschichte aus dem Leben erinnert. Die Darstellung des verdammten Fischers durch den australischen Tenor erforschte neue dunkle Tiefen in dieser konzertanten Aufführung beim Bergen International Festival, wo er wie nie zuvor, ohne dabei von einem Regisseur zurückgehalten zu werden, der Rolle seinen eigenen Stempel aufdrücken konnte. Skeltons Grimes war bereits an der ENO und bei den BBC Proms atemberaubend; aber mit der Bergen National Opera ging er noch einen Schritt weiter. Es war von Beginn an klar, dass schlimme Dinge vorherbestimmt waren, während sich sein seelisches Gleichgewicht mehr und mehr verschob.
Der unermüdliche Ed Gardner schob die Proben für Peter Grimes zwischen sein momentanes Dirigat des Eugene Onegin in Paris. Tatsächlich war er nicht einmal 24 Stunden nach dieser Aufführung zurück für eine weitere Tschaikowsky Oper. Jedoch wirkte er keineswegs müde und heizte dem Bergen Philharmonic Orchestra ordentlich ein. Die Aufführung hatte Schwung und Elan, die Musiker hatten ein sicheres Gespür für Brittens Musik und der Anblick der Musiker bei der Arbeit auf einer Bühne anstatt in einem Orchestergraben war ein ganz eigener Reiz des Theaters. Von der elegischen Solobratsche bis hin zum komisch lustigen Weimarer Quintett, das den dritten Akt einleitet, war dies eine Lesart von Unmittelbarkeit und Macht.
Sowohl Skelton als auch das erstklassige Ensemble wurden durch die Akustik der Grieghallen beeinträchtigt, ein „Blätterteig-Konzertsaal”, in dem das Publikum in vielen Ebenen nach oben gedrängt wird und von weit oben auf die Darsteller hinunterblickt. Die Solisten wurden weit vor der Schallwand platziert, unter dem höchsten Punkt der Halle, sodass der „Schwimmbad-Klang” besonders ausgeprägt war (obwohl dieser durch die Platzierung der Mikrophone für den Videostream bestimmt reduziert wurde). Die Ohren brauchten eine Weile, um sich an diesen hohlen Klang zu gewöhnen. Dankenswerterweise waren die Solisten Gardners so fesselnd und mitreißend, dass diese Zweifel verschwanden, obwohl Montagu Slaters Libretto nie so richtig herauskam.
Giselle Allen, unerreicht als Ellen Orford seit Grimes on the Beach, gesellte sich zu Roderick Williams, den man bald beim Aldeburgh Festival als Brittens anderen Seefahrer, Billy Budd, erleben kann, einem jugendlichen aber überzeugenden Captain Balstrode. Die zwei Sänger ergänzten Skelton so großartig, dass es schwer zu glauben ist, dass sie nicht mit dem Ensemble zum Edinburgh International Festival für Grimes im August reisen werden. Allens Darstellung einer Frau, die hin- und hergerissen ist zwischen ihrer Zuneigung zum rauen Fischermann und dem Wunsch, dessen (hier besonders jungen) Lehrling zu beschützen, hat eine ganz eigene psychologische Komplexität; im Gegensatz dazu färbte Williams Balstrode mit einem Glauben an Ehrlichkeit und Offenheit. Er ist ein Freund des Fischers, aber schreckt nicht davor zurück, in einen Narren zu nennen. „Are you my conscience?” - „Bist du mein Gewissen?” frag ihn Grimes zornig; und ja, das ist er. So wie auch Ellen.