Endlich… sieben Jahre und über €400 Millionen später wurde die Staatsoper Unter den Linden wiedereröffnet. Zumindest vorübergehend – nach den Feierlichkeiten dieser Woche schließt sie wieder bevor die Saison letztendlich im Dezember losgeht.
Die Eröffnungsfeierlichkeiten sollten sich eigentlich um das neue Werk Saul von Wolfgang Rihm drehen, das allerdings aufgrund der schweren Erkrankung des Komponisten abgesagt werden musste. Bei der Suche nach einer Alternative fiel die Aufmerksamkeit des Intendanten Jürgen Flimm auf Schumanns Szenen aus Faust, das mit Szenen aus Goethes Theaterstück aufgebauscht wurde. Der Titel des Gesamtwerks wurde zu einem der berühmtesten Zitate Fausts, „Zum Augenblick sagen: verweile doch!”, umgeschrieben.
Die Wahl gewährt uns einen tiefen Einblick ins Herz deutscher Ideen und Kulturen, aber eine Hybride aus einem Oratorium und eines Theaterstücks bei der Wiedereröffnung eines Opernhauses aufzuführen ist, im besten Falle, exzentrisch. Bei diesem feierlichen Anlass am Tag der Deutschen Einheit, mit Kanzlerin Angela Merkel im Publikum, verwehrten sich diese zwei ungleichen Elemente des Abend zu einem kohärenten oder fesselnden Ganzen zusammenzukommen. Und am Ende zweifelte ich durchaus am theatralischen Urteilsvermögen aller, die dachten, dass es möglich wäre.
Schumanns Szenen, die rückläufig über mehrere Jahre komponiert wurden und sich auf beide Teile Goethes Werks beziehen, wurden nicht als Drama konzipiert. Das Tempo ist behutsam und nachdenklich; die gewählten Episoden, in denen Mefisto eher zu einem neutralen Gesetzesvollstrecker als einer negierenden Seele wird, sind mit einer bewegenden und unkomplizierten Ernsthaftigkeit festgelegt.
Flimm hat dafür offensichtlich aber wenig Geduld. Er drängt sie zusammen mit eingefügten Szenen und bringt es mit einem Zynismus auf die Bühne, der ein Anatheme zu Schumanns Werk ist. Singende und sprechende Versionen der Solisten – die auf unterschiedlichen zeitlichen Bahnen laufen – wetteifern um unsere Aufmerksamkeit; der Musik, gewaltsam umfunktionalisiert, wird kein Gefallen getan, indem sie eine Handlung stützt, für die sie niemals vorgesehen war.
Falls das Grundkonzept schon hartnäckige Probleme zeigt, werden sie durch Flimms Inszenierung nur noch verstärkt. Die Gestaltung durch den Künstlerveteran Markus Lüpertz bietet auffällige Skulpturen und Leinwände; ein drehbarer Würfel, der an die Produktion von Terry Gilliams Damnation erinnert, steht in der ersten Hälfte im Mittelpunkt. Einige Ideen sollten wohl auch dazu dienen, mit der verbesserten Bühnentechnik anzugeben.
Aber es ist eine chaotische, oft hässliche Angelegenheit, zurückhaltend was Ton und Zeit angeht. Auf Gretchens Tod folgen Hubschrauber-Geräusche, der Einsturz von Geröll auf der Bühne und das Eintreffen eines Notfallmediziners und Männern in Warnwesten, die Trockeneis auf die Bühne schütten – und in den Orchestergraben. In der letzten Szene werden die historischen Kostüme (von Ursula Kudrna) ausgezogen und moderne Kleider enthüllt. Unerklärbare Statisten und Requisiten werden andauernd auf- und abgeschoben, an einem Punkt sogar eine Reihe an Replika von Staatsopern-Sitzen – eines von vielen Klischees, die die Inszenierung wohl abhaken wollte.