Tristan und Isolde ist ein unmögliches Werk, für Intendanten, Sänger und Publikum gleichermaßen. Intendanten stehen vor der Herausforderung, eine Handlung auf die Bühne zu bringen, die sich viel mehr mit innerer, psychologischer Entwicklung und abstruser Metaphysik beschäftigt als mit handlungszentriertem Drama. Die beiden Protagonisten müssen über die vollen fünf Stunden Aufführungsdauer mit unmenschlicher Lautstärke und in unmenschlicher Lage singen. Der Zuhörer wird mit einem Werk konfrontiert, dessen Fülle an Erfindungsreichtung unmöglich mit nur einem Mal hören erfasst werden kann – ein ganzes Leben reicht dafür nicht aus. Und doch kam die Vorstellung an der Berliner Staatsoper am Samstag dem Ziel sehr nahe, ein unmögliches Ideal zu funktionierender Realität zu machen. Die Kombination von Harry Kupfers brillanter Inszenierung, die schauspielerische und gesangliche Leistung der beiden für ihre Wagner-Darbietungen bekannten Sänger Waltraud Meier und Peter Seiffert, unterstützt von einem makellosen Ensemble, und Daniel Barenboims flexibler und emotional überzeugender Leitung verschaffte uns ein emotional erschütterndes Erlebnis. Sehr lebhaft erinnerte es an Wagners Kommentar während der Komposition, dass „vollständig gute [Vorstellungen] die Leute verrückt machen“ müssen. Nie zuvor habe ich etwas von vergleichbarer Intensität im Theater erlebt.
Diese Produktion, Kupfers dritte Version dieser Oper, war grandios in ihrer Einfachheit. Die Bühne wurde von der riesigen Statue eines gefallenen Engels dominiert, der sich mit ausgebreiteten Flügeln niedergeworfen hatte, das Gesicht in den Händen vergraben (dieses Bild hat seinen Ursprung im Jahr 2000, lange bevor Doctor Who es so furchteinflößend gemacht hat). Auf einer Drehbühne platziert, diente es in verschiedenen Perspektiven auch als Schiff, als Liebesnest und als felsige Burg Kareol. Während Brangänes ausgedehntem Warnruf drehte es sich unendlich langsam, als betrachtete man die Rotation der Erde. Geschickt genutzt wurde die Beleuchtung: Tristans wahnhafte Phantasie vor Isoldes Ankunft im zweiten Akt beispielsweise wurde sehr farbig ausgeleuchtet, bevor das Licht nach seinem Tod zum Monochrom verblasste. Die Rückwand wechselte ensprechend der dramatischen Anforderungen zwischen schwarz und weiß.
Waltraud Meiers Stimme ist nicht mehr das prächtige Instrument, das es einst war: sie hat sich nicht einmal an den hohen Cs im zweiten Akt versucht, und im piano ist ihr Timbre in der tiefen Lage nicht homogen (einige Klangveränderungen ließen in „Mir erkoren“ im ersten Akt und zu Beginn des Liebestods einige Töne merkwürdig hervorstechen). Trotzdem besaß ihr Portrait der Isolde eine gewisse Erhabenheit, die absolut überzeugend war. Sie war faszinierend in der letzten Szene in Akt I, spie das Wort „Knecht“ geradezu aus, und dennoch gelang ihr der Übergang von der rachedurstigen Figur zur Geliebten großartig. Lob gebührt hier jedoch nicht nur den Sängern, sondern auch der Bühnendirektion. Wo Wagner für zweieinhalb Minuten Orchestermusik eine ausgeklügelte Gesten-Pantomime choreographierte, in der den Charakteren bewusst wird, dass sie kein Gift geschluckt haben, saßen Meier und Seiffert einfach nebeneinander und ließen die Musik ihre emotionale Reise malen. Kurz vor ihrem nächsten, zögernden Aufgang mit „Tristan!“ „Isolde!“ berührten sich ihre Handrücken, ihre Finger verschränkten sich ineinander: eine Geste, die in ihrer Intimität und Untertreibung vollkommen war. Sogar das wilde Umhertollen der beiden beinahe Sechzigjährigen kurz danach brach ihren Zauber nicht.