Was für eine Freude ist es doch, für die neue Produktion von Tristan und Isolde des polnischen Regisseurs Mariusz Treliński die großen Berliner Philharmoniker im Graben des Festspielhauses Baden-Baden zu haben. Unterstützt von der ausgezeichneten Akustik des Hauses, das Orchester tief im Graben, war es, als ob der Klang nirgendwo und überall her käme. Unter Sir Simon Rattles akribischem, ausladenden und unaufgeregtem Dirigat spielten die Streicher Wellen üppiger Melodie, jeder Ton deutlich artikuliert. Die anregenden Hornrufe zu Anfang des zweiten Aufzugs und die klagenden Holzbläser bei den Höhepunkten des zweiten und dritten Aufzugs waren gemäßigt, um die kontinuierliche Musik unbeantworteten Verlangens nicht zu unterbrechen, die mit der Premiere der Oper 1865 den Pfad der Kunstform und der westlichen Musik allgemein tiefgreifend verändert hat.
Sir Simon nahm sich die Zeit, um das Momentum des Vorspiels aufzubauen, mit ausgedehnten Pausen und einem beinahe zögerlichen Anfang des berühmten Tristan-Akkords. Und doch verging die Zeit wie im Fluge und der letzte Ton der Oboe, der den Akkord auflöste, schien viel zu früh zu kommen, um uns aus dieser Reise durch Tristans Traumwelt zu wecken. Es nahm nicht wunder, dass nach den Vorhängen für die Sänger der Dirigent und sein Orchester am Ende des Abends den tosendsten Applaus ernteten.
Die Inszenierung ist in der Tat konzipiert als Reise Tristans, dem Kapitän eines Kampfschiffes, der die gefangene Isolde zurück zu seinem Onkel bringt. Nautische Bilder dominierten; jeder Aufzug begann mit einem Videobild eines großen Kreises, der zum Kompass eines Schiffes wurde, vielleicht eines Lebens, ein endloser Kreis des Wanderns. Während des Vorspiels, nach einem Bild eines großen Schiffes und Wellen, erschien ein Haus im Wald mit einem jungen Knaben. Der erste Aufzug war in einem Querschnitt eines klaustrophobisch engen Schiffes angesiedelt, ein Deck ganz oben, Isoldes Kajüte auf zweiter Ebene und Tristans größeres Quartier unten. Der zweite Aufzug zeigte Isolde und Brangäne auf dem Schiffsdeck, obwohl der Rest des Aktes in einer Art Wohnzimmer stattzufinden schien. In Tristans Krankenhauszimmer im dritten Akt kehrten die Videobilder aus dem Vorspiel zurück, als ein Haus mit einem Kind in Tristans Delirium auf der Bühne erschien.
Als solle betont werden, dass das gesamte Drama vielleicht in Tristans Vorstellung stattfand, der Dunkelheit und Tag dem Tageslicht und Leben vorzog, blieb die Bühne die meiste Zeit dunkel, mit gelegentlicher und sehr wirkungsvoller Beleuchtung, beispielsweise in Gestalt des Nordlichts, als sich die Liebenden im zweiten Akt auf dem Deck treffen. Die Vorstellung von Liebe und Tod war den ganzen Abend über in den Gedanken von Tristan wie auch Isolde präsent, selbst während ihres Liebesduetts, während dem die Liebenden sich nicht umarmten, sondern voneinander entfernt standen. In einer Abweichung von originalen Text begangen beide Liebenden Selbstmord; Tristan erstach sich selbst am Ende des zweiten Aufzugs und Isolde schnitt sich die Pulsadern auf, als sie sich anschickte, den „Liebestod“ zu singen. Und doch waren die Liebenden letztendlich im Tode vereint; so saßen sie auf einer Bank, ihre Körper berührten sich. Das letzte Bild war wieder das der Wellen, als die Seereise des Lebens vollendet war.