„Händel versteht Effekt besser als jeder von uns; wenn er will, schlägt er ein wie ein Blitz.“ Mozarts Verehrung für einen seiner Vorgänger ist legendär, schließlich widmete er sich dem Arrangement ein paar seiner Oratorien und fand darin Inspiration für eigene bedeutende Chorwerke. Doch auf keines trifft dieses Zitat passender als auf Israel in Egypt – selbst wenn es nicht Mozart, sondern später Hummel eigens komponieren, Mendelssohn bearbeitet wiederbeleben sollte –, in dem es beim Israelitischen Durchzug durch das Rote Meer (zuvor von Telemann mit Oratorien bedacht) nach der Knechtschaftstristesse nur so kracht vor den Plagen und schlachtigen Fluchtkräften der strafenden Heimsuchung beziehungsweise erlösenden Heimkehr. Es ist – mit Mozarts fürsprechendem Segen – daher auch nicht von ungefähr mein Lieblingsoratorium Händels, von dem ich hin und weg war, als ich es mit John Eliot Gardiner sowie seinen höchste Dramatik und Exzellenz versprechenden und spendenden Gefährten des Monteverdi Choir und English Baroque Soloists gehört hatte.
Es war natürlich erstmals auf CD, dann auszugsweise über YouTube von der Proms-Aufführung 1992, der zehn Jahre später dort eine weitere, dann 2009 eine Tournee folgte. Zur Feier des 60. Gründungsjahres des Monteverdi Choir stand erneut eine an, mit der sich für mich nun in der Elbphilharmonie in Hamburg ein hiermit transparent benannter, langgehegter Live-vor-Ort-Wunsch realisierte. Er konnte es auch jenseits dieser salbungsreich-freudigen Vorab-Worte und so immer gar die Gefahr einer umso größeren Enttäuschung birgenden Prädispositionen werden, weil die Musiker ihre phänomenalen Standards hielten, ja – im Laufe der Zeit nicht verwunderlich – zu einer nochmals eigenen Liga der Weltklasse ausbauten, womit sie zugleich Händel und Mozart belegbar Tribut zollten.
Multitalent Peter Whelan, unter anderem Leiter des Irish Baroque Orchestra und Ex-Mitglied im Orchestra of the Age of Enlightenment mit jeweils personal und rekrutierungsverständlich besten Beziehungen zu den Londoner Kollegen, führte durch die Aufführungen. Er gab damit sein Debüt bei Chor (Einstudierung David Bates) und Orchester, das ebenso in die Geschichte von jemals Bestgehörtem eingeht. Ohne selbst affektiert, sondern im Gegenteil vielmehr natürlich locker und animierend, mit Musik und Musikern verbunden, zu wirken, flirrte er mit Händen und Fingern, tippelte vor dem von ihm in den Arien gespielten Cembalo, um jeden Affekt in theatralischer Grundstärke und Steigerung zu Gänsehaut führender pulsierender Energie herauszukitzeln. Instrumental legte er besonderen Akzent auf die harmonie- und taktgebende Unterstützung durch Thomas Dunfords würzige Erzlaute, selbstverständlich durch die bissigen Streicher, auf formidables Holz und die körnig-derb schreckensverbreitenden, einfach megagenial hereinbrechenden, röhrenden Sackbuts.