Schon ein gutes Stück über die Hälfte der Zeit ist bereits vergangen seit der Projektaufnahme Haydn2032 bis zu Joseph Haydns 300. Geburtstag, an dem die Basler Haydn-Stiftung das symphonische Gesamtwerk unter Giovanni Antonini eingespielt haben möchte. Zur jetzigen 21. Ausgabe La Gallina mit Il Giardino Armonico standen dabei wieder drei Symphonien auf dem Plan, die erneut von einer weiteren Komposition eines heutzutage eher weniger bekannten Kollegen begleitetet wurden und daher selbst mit einem Thema der Zeit spielten, auch wenn doch nur ein allerwinziges My der Beinamen der Haydn-Symphonien vom Notenurheber stammt.
Diesmal einem über 100 Jahre vor Haydn lebenden Italiener, um einen Bezug zur beliebten, in den Epochen und generell essentiellen Beschreibung der Natur und des Humors, hier der ländlich-tierischen und bizarren Tonmalerei, zu liefern, für die Haydn mitunter in die Geschichtsbücher des 18. und 19. Jahrhunderts einging. Carlo Farina heißt er, Konzertmeister in Dresden und Bonn, um 1639 in Wien verstorben, der mit seinem Capriccio stravagante mehrheitlich eine Bläser- und Schlagwerknachahmung sowie den Haustierstand von Henne, Hahn, Hund und Katze ins streicherische Rennen schickt. Und bei Haydn selbst eben durch die Symphonie Nr. 83 („La Poule“), außerdem durch die Nummern 57 und 58, bei der ich in den letzten Sätzen dann doch durch psychologisch wirkenden Stempel umgebender Titulierungen irgendwie den Eindruck eines tierischen Durchdrehens gewinne.
Zwar änderte sich die musikalische Naturschilderung vom Barock-Tanz über die Empfindsamkeit zur Klassik, noch deutlicher zur Romantik, vom Gegenständlichen, Imitativen zur gefühligen, abstrakten Individualisierung, doch blieb sie – wie die spätere Einteilung verdeutlicht – immerwährend gewollte Beschreibungs- und Erkennungsgrundlage. Diejenige Antoninis Klangvorstellung und Realisierung mit seinem Giardino Armonico ist die anhaltend und über die bisherige Periode selbstredend in Fleisch und Blut übergegangene kompromisslose Destillierung und das Ausreizen der Instrumentenfarben, um urgewaltige und urzärtliche, gleißende Kontraste – zusätzlich zu Tempo und Dynamik – und damit das ganze, lebendige Bild zu zeichnen. Einer Kompromisslosigkeit, die dabei nicht gekünstelt, sondern positiv überdreht und einfühlsam aus sich und den musikalischen Überraschungen heraus zu entspringen scheint.
Begonnen mit den Symphonien Nr. 57 und Nr. 58, in denen einem die stets mit zweitem und drittem Satz eingebläute Idylle und Rustikalität des Hof- und Tierlebens mit Kopf- und Finalsatz herrlich um die Ohren flog. Im Prestissimo der D-Dur-Symphonie so dermaßen, als triebe – mitlesende Landwirte mögen mir das Bild in beschriebenem (eigenen) Durchdrehen nachsehen – gar der reißende Wolf sein Unwesen im programmatischen Gehege von (Gefechts-)Feld, Stall und Wiese. Dafür sorgten die elastisch-kernigen, akkordbissigen und stürmischen Streicher mit wummernden Bässen, die – mit den Bläsern dann deutlicher in der F-Dur-Symphonie vernehmbar – im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins Großmeister Haydn umso dramatischer wirken ließen.
In selbig großer 5-4-2-2-2-Streicherbesetzung, dann natürlich mit Barockbögen und angepasst frühbarocken Phrasierungsreizen in der heimischen Tradition des Ensembles, und samt Cembalo gingen der Giardino Armonico und Antonini auch Farinas Capriccio stravagante an, in dem somit das kurze lautmalerische Nachmachen von Gackern, Miauen und Bellen bulliger geriet. Gleichzeitig ermöglichte es den Effekt, einige der ansonsten solistisch à 4 flautando gesäuselt, martialisch collegno geschlagen oder rassig zupfend gespielten Instrumentenimitationen durch ripieno-Tutti zu verstärken beziehungsweise die Übergänge zu den atmosphärisch variierten, stimmungsvollen, ausdrucksstarken Presto-Ritornellen fließend zu gestalten.