Mit seiner Zweiten Symphonie hat Gustav Mahler die Zeitgenossen überfordert. Nach der Uraufführung der ersten drei Sätze schimpfte ein Kritiker über ein „Chaos an Misstönen”. Er habe „nicht Musik, sondern Lärm” gehört. Da Mahler selbst dirgierte, wird es nicht am Dirigenten gelegen haben. Wohl eher sind diese Aussagen unrühmliche Beispiele missverstehender Kritik. Da sind wir heute weiter, Mahlers Zweite gehört zu seinen beliebtesten Symphonien. Wie sehr sie faszinieren, ja in den Bann schlagen kann, war jetzt im Festspielhaus Baden-Baden mit den Bamberger Symphonikern zu erleben.
Das monumentale Werk bedeutet für den riesigen Orchesterapparat, den großen Chor und die beiden Solistinnen eine ungeheure Kraftanstrengung. Es bedarf einer hoch gespannten Aufmerksamkeit des Dirigenten, die komplexe Struktur zu ordnen, die extrem divergierenden Elemente organisch zusammenzufügen und die Entwicklungsbögen so zu gestalten, dass die innere Logik der Musik hervortreten kann. Nicht zuletzt gilt es, den Klang zu formen, die oftmals gewaltigen Klangmassen zu bändigen, damit die Musik ihre Aussage entfalten kann. Bei einer Aufführung dieser Symphonie inmitten ihrer überdimensionalen Architektur eine Balance der einzelnen Teile zu finden, gelingt nicht immer. An diesem Abend gelang es in vollendeter Weise. Diese Aufführung unter der Leitung von Jakub Hrůša wurde zu einer musikalischen Sternstunde.
Nicht allein die perfekte Technik war das Besondere dieses Abends. Mahlers Zweite führt gleichsam durch ein Gebirge von Gefühlen. Der Kontrast der Stimmungen in diesen fünf Sätzen könnte größer nicht sein. Hrůša ließ all dies sich allein aus der Musik entwickeln – durch eine klug kalkulierte dynamische Stufung und durch nuanciert ausformulierten Ausdruck. Niemals wirkten die Emotionen äußerlich oder wie ein gemachter Effekt. Beeindruckend gelang im ersten Satz der Stimmungsumschwung von der entfesselten Kraft des Einleitungsthemas, dem kollektiven düsteren Tremolo der tiefen Streicher, hin zum lyrischen Seitensatz, den die solistisch konzertierenden Bläser bestimmen. Wie einer Insel der Ruhe ließ Hrůša hier diesem elegischen Moment seinen gehörigen Raum.