Entgegengesetzter hätten die zweite Werke am Programm der Sächsischen Staatskapelle Dresden auf ihrer Tournee nicht sein können: Schostakowitschs Erstes Cellokonzert und Bruckners Siebte Symphonie. Vor der Pause rauher Spaltklang, danach der Mischklang der Spätromantik. So konnte sich auch das Orchester unter Tugan Sokhiev von seinen beiden Seiten zeigen.
Dass Sol Gabetta Schostakowitschs Cellokonzert nicht nur oft gespielt hat, sondern es zu ihren Lieblingsstücken zählt, war in jedem Takt ihres Auftritts in der Berliner Philharmonie zu hören. Im Unterschied zu den meisten anderen, die sich dem Werk zuwenden, weiß sie, dass das Stück nicht – wie hundertfach zu lesen – mit dem viertönigen Monogramm des Komponisten, dem D-Es-C-H-Motiv, beginnt, sondern mit einer burschikosen Variante dieser Viertonfolge. Das ist für ihre Darbietung insofern wichtig, als sie keinen Egomanen sein Monogramm in den Saal tönen, sondern den Komponisten sich eine Maske aufsetzen ließ, um sein Ich zu verbergen. So heiter und in sich gekehrt hört man das Konzert für gewöhnlich nicht. Gabetta vermied den Spott, ja fast jedes Fortissimo, so wie Schostakowitsch seine Kritik nur im Flüsterton aussprechen konnte. Sie begann vorsichtig, fast vernuschelt, ging im rauen Gewusel des Orchesters mitunter bewusst unter, weil der Komponist auch kein virtuoses Glanzstück komponiert hat. Der Galopp-Rhythmus war im Orchester zwar stets präsent, aber Sokhiev und das Orchester konnten bei den häufig vorgeschriebenen Taktwechseln der verirrten Solistin keinen Halt geben; stattdessen versuchte der Hornist Robert Langbein ihr noch den Rang abzulaufen.
Im ariosen Mittelsatz wurde die Sarabande nicht zu langsam gespielt. Sol Gabetta trug ihre Berceuse fahlfarben vor – ohne Licht und ohne Hoffnung. Höhepunkt ihrer Darbietung aber war der dritte Satz, die Cadenza, die sie wie einen Monolog einer Tragödie vortrug; ganz alleine spielte sie, sich be- und hinterfragend, in höchste Höhen steigend und gezupfte Fragezeichen setzend. Das Finale wurde mit galliger Schärfe und ironischem Biss musiziert. Töne der jiddischen Folklore mischten sich in das Maskenspiel ein. Das Zitat von Stalins Lieblingslied wurde so grimassiert gespielt, dass es eigentlich nicht zu hören war. Dieses Versteckspiel wurde in dieser Darbietung viel wichtiger genommen als die beißende Satire. Die kam zum Schluss umso deutlicher zu Gehör, als der Hornist das Hautthema des Kopfsatzes in den Saal schmetterte, um dem arrangierten Pseudo-Triumph die Krone aufzusetzen.