Es besteht kein Zweifel, dass Ernst Kreneks Oper Tarquin zu selten gespielt wird – die letzte deutsche Produktion war die Uraufführung in Köln! Grund dafür muss eine unglückliche Fügung sein, denn spätestens seit Johnny spielt auf gilt Krenek als etablierter Opernkomponist. Tarquin allerdings hatte schon einen schwierigen Start und wurde erst zehn Jahre nach ihrer Entstehung vollständig aufgeführt.
Nun endlich aber kam sie durch das Internationale Opernstudio der Staatsoper wieder auf die Bühne, in einer Inszenierung von Mascha Pörzgen. Wo eine knappe, bündige Form für eine Oper des 20. und 21. Jahrhunderts nicht außergewöhnlich ist, und eine Vorstellung zwar sehr intensiv ist, die Vorstellungsdauer aber durchaus auch weniger als zwei Stunden betragen kann, weicht diese Inszenierung vom bekannten Pfad ab. Der eigentliche Opernstoff wurde nämlich durch drei Stücke aus Gesänge des späten Jahres (1931) um Prolog, Intermezzo und Epilog, vorgetragen von Annika Schlicht (Mezzosopran) und Günther Albers (Klavier), ergänzt. Nicht nur aufgrund des Umfangs war Tarquin trotz des eher kleinen Präsentationsformats in der Werkstatt am Schiller Theater eine große, dichte Opernproduktion.
Sie beinhaltet auch eine Art Meta-Darstellung in der Form eines „Theaters im Theater". Die Oper wurde hierbei als Experiment betrachtet, das beobachtet, wie eine Diktatur oder ein Terrorsystem entsteht. Das Publikum übernahm dabei nicht nur die Rolle des Beobachters des Experiments, sondern auch die eines Mithandelnden. Beim Eintritt erhielt jeder Gast eine hellgrüne OP-Jacke, die er sich für die Vorstellung umzulegen hatte, und ihn in eine Position brachten, die ein aktives Mitgestalten erleben ließ. Annika Schlicht begleitete und moderierte als Laborantin die Vorstellung auf Deutsch, also im Kontrast zur englischsprachigen Partitur, wodurch sich Kreneks Stück und dessen Zusätze gut unterscheiden ließen.
Krenek instrumentierte Tarquin mit einem kleinen Ensemble mit auffälliger Timbre-Kombination aus Trompeten, Geige, Klarinette, Schlagzeug und zwei Klavieren. Es entstand daraus ein Klang, in dem die beiden Klaviere klanglich-melodisch dominant waren und übrigen Instrumente ihre Linien musikalisch verzierten. Max Renne leitete diesen Premierenabend mit viel Gefühl für die instrumentale Rollenverteilung und gestaltete zusammen mit dem Instrumentalensemble ein dynamisch ausgewogenes Zusammenspiel, das eindrucksvoll und lebendig durch den Abend trug.