Ein Protestant schreibt eine vollständige heilige, katholische Messe – aber diese Messe ist so gar nicht konfessionell zu verorten. Johann Sebastian Bachs Musik hat universellen Charakter, universelle Wirkung, jeder kann von ihr ergriffen werden. Seine h-Moll-Messe ist kein katholisches oder protestantisches Werk, sie ist ein uneitler Flickenteppich, ein Stückwerk, dass Bach gen Ende seines Lebens zu einer Hohen Messe ausbaute.
Gründer und Dirigent des auf historischen Instrumenten spielenden Collegium 1704, Václav Luks, trat in der Elbphilharmonie genauso uneitel vor sein Orchester und hob nach kurzer Verbeugung gleich die Arme. Was für eine Ehre, dieses Werk, die monumentale fast 2-stündige Messe, als ein Höhepunkt des Schleswig-Holstein-Musikfestival in der Elbphilharmonie spielen zu dürfen, dachten sich wohl viele der Musiker. Einige waren bei den ersten Soli sichtlich nervös, kleine Unsicherheiten waren zu hören, aber das war bei allen schnell vergessen und vergeben, denn solch leidenschaftlich spielende Gruppen braucht dieser Saal!
Von Anfang an beeindruckt das Collegium Vocale 1704, das aus 25 Sängern besteht. Nicht nur, dass alle Solisten im Chor singen, jede Stimmgruppe ist homogen, klangschön und durchsichtig zugleich. Jedes Wort und jeder Ton der teils irrsinnig schnellen Koloraturen war zu hören. Man könnte nun die unter Musikern und Liebhabern so gern geführte Diskussion über die Tempi beginnen und ja, es war viel zu schnell, besonders am Anfang. Das Kyrie hatte mehr Feierliches als Bittendes, aber durch ihren Ausdruck, durch die Ernsthaftigkeit und Leidenschaftlichkeit im Musizieren, klang es betend. Das war Gottesdienst in Musik.
Die Freude übertrug sich auf alle. Das schönste Strahlen hatten die beiden Solistinnen, Sopranistin Céline Scheen und Mezzosopranistin Luciana Mancini, beim herrlich bewegten Christe eleison. So eine Lust am Singen und dieser Musik mit gleichzeitigem Können habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Luks behielt alle im Auge, Soli und Orchester verschmolzen.
Nicht nur die wunderschön ruhigen Stellen, wie das Laudamus te, gesungen von Mancini mit ihrem wundervoll warmen Alt, und das vom Countertenor Benno Schachtner überwältigend in den Raum gestellte Qui sedes verzauberten. Das Gloria glich einer Explosion und alles auch über dem gewohnten Tempo war nie zu schnell für die Musiker. Flink und agil machte sich das Collegium 1704 die verschiedensten Stile Bachs zu eigen und begeisterte auch solistisch im Horn, der Oboe d’amore und beiden Flöten.